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Leid der Flüchtlinge und
ein Blick in die Zukunft

Gottesdienst und Historiker-Beiträge zum 8. Mai 1945

Bielefeld (WB/mzh). Nicht die intellektuell völlig unergiebige Frage, ob der 8. Mai 1945 Niederlage oder Befreiung bedeute, soll die Veranstaltungen zum 60. Jahrestag des Kriegsendes prägen. Die lokale Wissenschaft stellt sich am Wochenende dem Themenkomplex in Kooperation mit Kirche und Theater auf moderne, zukunftsträchtige Weise.

»Vor uns neuer Strand - in uns Heimatland« ist der Vortrag übertitelt, in dem der bekannte Bielefelder Historiker Dr. Hans-Jörg Kühne am Samstag, 19.30 Uhr, das lange beschwiegene Schicksal der Flüchtlinge und Vertriebenen beschreibt. Sechs Einzelschicksale stehen exemplarisch für die Leiden der Zivilbevölkerung.
Der emotionalen Komponente des Themas weicht Kühne nicht aus: »Den Flüchtlingen eine Stimme zu geben, halte ich für vollauf berechtigt; den Bedenkenträgern, hier entstehe ein ÝOpferkultÜ, kann ich mich nicht anschließen.« Sein Vortrag mit Diskussion findet in der Altstädter Nicolaikirche statt.
Der Sonntag beginnt mit dem zentralen Gedenkgottesdienst in der Nicolaikirche (10.30 Uhr); Pfarrer Armin Piepenbrink-Rademacher hat ihn unter das Motto »Aspekte des Friedens« gestellt. »Ich rechne mit einem vollen Gotteshaus«, sagt der Geistliche, der seit Jahren im Rahmen der Stadtkirchenarbeit maßgeblich zur engen Verzahnung lokaler Institutionen aus Religion, Wissenschaft und Kultur beiträgt
Nach dem Gottesdienst öffnet das TAM seine Türen für ein Podiumsgespräch (12 bis 14 Uhr) mit hochkarätiger Besetzung. Privatdozent Dr. Hans-Walter Schmuhl von der Geschichtsfakultät diskutiert mit dem ehemaligen Leiter des Stadtarchivs, Dr. Reinhard Vogelsang, der in Kürze den dritten Band seiner Stadtgeschichte herausgeben wird, mit Professor Bernd Hey, dem Leiter des Landeskirchenarchivs, und mit Hans-Jörg Kühne.
Brandneue Forschungsergebnisse werden in das Gespräch einfließen, denn der Historiker Dr. Martin Münzel stellt Material über jüdische Unternehmer in Bielefeld vor, das noch nie publiziert wurde. Und die Doktorandin Katrin Stoll berichtet über den seinerzeit aufsehenerregenden Bielefelder Bialystok-Kriegsverbrecherprozess.
»Wir präsentieren den Kenntnisstand der Wissenschaft zum Weltkrieg, eröffnen neue Blickfelder für die Zukunft und berichten, was an der Fakultät für Geschichte läuft«, sagt Schmuhl. »Der Trend geht weg vom Nationalsozialismus und hin zur Stadtgeschichte der letzten Jahrzehnte.«

Artikel vom 05.05.2005