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Opfer kämpft mit Bürokraten

Verletzte Frau lebt vom Krankengeld - Verwandte bringen Lebensmittel

Von Christian Althoff
Paderborn (WB). Die unbürokratische Hilfe, die Opfern oft versprochen wird - Kassiererin Danuta U. (43) hat sie bisher nicht erfahren. Die Paderbornerin, die von ihrem Mann angezündet worden war, kämpft mit Behörden und weiß nicht, wie sie in diesem Monat finanziell über die Runden kommen soll.

Norbert U. (39) arbeitete als Maschineneinrichter beim Autozulieferer Benteler, seine Frau Danuta saß im Real-Markt an der Kasse. Das Ehepaar und seine beiden Kinder hatten keine Geldsorgen - bis Norbert U. am 17. November seine Frau mit Spiritus übergoss und anzündete, weil sie ihn verlassen wollte. Seit jenem Tag sitzt der 39-jährige in Untersuchungshaft, und seine Frau kann wegen ihrer schweren Brandverletzungen frühestens im kommenden Jahr wieder arbeiten.
Danuta U. bekommt monatlich 446 Euro Krankengeld und 308 Euro Kindergeld. »Ich muss jeden Monat 650 Euro für unsere Eigentumswohnung abbezahlen«, erzählt die schwerverletzte Frau, der damit noch 104 Euro bleiben - für Strom, Wasser, Telefon, Versicherungen, Lebensmittel...
»Bis April bin ich mit unseren Ersparnissen ausgekommen«, sagt Danuta U. und zupft die Verbandsmaske zurecht, die ihr verbranntes Gesicht bedeckt. Als die 43-Jährige Anfang März absehen konnte, dass das Geld im Mai vorne und hinten nicht reichen würde, hatte sie sich auf eine Odyssee durch die Amtsstuben gemacht. Das ist nun acht Wochen her, aber Hilfe ist nicht in Sicht.
»Ich war beim Amt für Wohnungswesen, um Wohngeld zu beantragen. Dort sagte man mir, dass das nur an Bezieher von Arbeitslosengeld oder Sozialhilfe gezahlt werde.« Deshalb wandte sich das Brandopfer ans Sozialamt: »Die haben mich zur Amtsärztin geschickt und etliche Unterlagen von mir angefordert.« Auf einen Bescheid des Sozialamtes wartet Danuta U. bis heute - angeblich, weil noch Unterlagen fehlen.
Auch auf die Hilfe der Familienkasse bei der Bundesagentur für Arbeit hofft die Mutter noch immer: »Dort hatte ich einen Kindergeldzuschuss beantragt, der in besonderen Fällen gezahlt wird. Aber die Mitarbeiterin sagte, das könne noch vier Monate dauern. Ihr lägen 1800 Anträge vor, und ich solle mich gedulden.«
Nicht viel anders sieht es beim Versorgungsamt Bielefeld aus, bei dem die Paderbornerin um eine Rente nach dem Opferentschädigungsgesetz nachgesucht hatte: »Die wollen jetzt erst einmal abwarten, zu welcher Strafe mein Mann verurteilt wird«, sagt Danuta U.
Um sich nicht übermäßig zu verschulden, hatte die Frau zudem die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) in Köln angeschrieben und um Befreiung von den Rundfunkgebühren gebeten. »Man teilte mir jedoch mit, dass dafür alleine das Sozialamt in Paderborn zuständig sei. Als ich dort nachfragte, sagte die Beamtin, ich solle mich an die GEZ wenden. . .« Danuta U. gab auf und zahlte.
Die einzige Stelle, von der sie bisher Unterstützung erfahren habe, sei der »Weiße Ring«, erzählt die Paderbornerin und lächelt dankbar. Als sie mit ihren Verbrennungen in einer Dortmunder Spezialklinik im Koma gelegen habe, habe ihre Schwester sie 27 Mal besucht: »Das war ihr nur möglich, weil der Weiße Ring die Fahrten bezahlt hat.« Auch heute stehe ihr eine Mitarbeiterin des Opferschutzvereins jederzeit zur Seite, wenn sie Hilfe brauche. »Außerdem werde ich von meinen Verwandten unterstützt, die mir Lebensmittel bringen, solange ich auf die Bewilligung staatlicher Hilfen warten muss.«
Ruth Stöpper, die Außenstellenleiterin des »Weißen Rings« in Paderborn: »Leider sind die Erfahrungen dieser Frau kein Einzelfall. Wir beobachten häufiger, dass Behörden wenig Fingerspitzengefühl beim Umgang mit Kriminalitätsopfern zeigen.« Es sei klar, dass Ämter gesetzliche Vorgaben einzuhalten hätten, sagt die Opferbetreuerin: »Aber klar ist auch, dass mit gutem Willen an der richtigen Stelle einiges deutlich schneller entschieden werden könnte!«

Artikel vom 04.05.2005