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Eine Bühne für
die Emotionen

Willikens-Werke in Recklinghausen

Von Gerd Korinthenberg
Recklinghausen (dpa). Die Bilder des Malers Ben Willikens zeigen durchweg menschenleere Räume: Kühl mit Zirkel und Lineal konstruiert, sind sie dennoch eine Bühne für starke Emotionen.

Dem 1939 in Leipzig geborenen Künstler, dem in Stuttgart lebenden Ex-Rektor der Kunstakademie München, widmen die Ruhrfestspiele Recklinghausen ihre diesjährige Ausstellung.
Unter dem Titel »il teatro dell assenza« zeigt die Kunsthalle Recklinghausen von Donnerstag an bis 10. Juli mehr als 25 Gemälde und 35 Gouachen auf Papier und Nessel von Willikens. Gleichzeitig gestaltet er das Bühnenbild der bevorstehenden Festspielinszenierung von Lessings »Minna von Barnhelm« in der Regie des neuen Ruhrfestspielintendanten Frank Hoffmann.
Die menschenleeren Räume, oft in kühn perspektivisch konstruierten Saal-Fluchten mit Treppen, Säulen und breiten Durchgängen als Scheinarchitektur gestaltet, erinnern an die Baukunst der Renaissance. Hier entdecke man »die Spuren des Menschen, der eben den Raum verlassen hat - und spürt den Atem des Menschen, der gerade den Raum betreten wird«, meint Regisseur Hoffmann. Geometrische Körper, Quader, Kugeln oder Kuben, lagern manches Mal im Vordergrund der in subtilen Grau-Abstufungen gemalten Interieurs wie »Raum 373« von 2004: Die scheinbar schwerelosen Gegenstände bringen ein surreales Traum-Element auf die Leinwand-»Bühnen« des Malers.
Geschichtslos stehen die gemalten Kabinette von Ben Willikens bei aller Abstraktion keineswegs da. Großformate beziehen sich auf Architekturen von Ludwig Mies van der Rohes späten Meisterwerken im Bauhausstil (»Seagram Building, New York«/2004) bis zu den Raster-Räumen des prominenten Kölner Baumeisters O.M. Ungers. Natürlich wirkte auch der russische Avantgardist El Lissitzky anregend, von dem Willikens eine konstruktivistische Modellwohnung wie auch den revolutionären, begehbaren Prounen-Raum von 1923 mit seinen geometrischen Wandreliefs auf die flache Leinwand »übersetzt« hat.
www.kunsthalle-recklinghausen.de

Artikel vom 03.05.2005