04.05.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Schiller lebt - im
Weltkriegsbunker

Ungewöhnliches Theaterprojekt

Von Matthias Meyer zur Heyde
Bielefeld (WB). Ungewöhnlicher Ort für eine eigenwillige Produktion: Das Projekt »Fürstengruft 200//Schiller« des Bielefelder Theaters wird im Hochbunker an der Neustädter Straße aufgeführt.

Nackter Beton, roh die Architektur, offene Flächen: Das Publikum soll sich am 9. Mai, zu Schillers 200. Todestag, durchaus fühlen, als sei es in die Gruft des Dichterfürsten hinabgestiegen. Bevor allerdings um 20 Uhr das Szenische Spiel beginnt, wird Bühnenbildnerin Sandra Meurer das abweisende Ambiente ein wenig theaternäher gestaltet haben.
»Niemand jedoch darf plüschige Behaglichkeit erwarten«, sagt die Dramaturgin Monika Gysel. »Kitsch as Klassik can« ist nicht angesagt, denn »wir wollen Schiller ja gerade nicht als heroischen Übergott seiner Epoche inszenieren«, aber von seiner Reise zum Verfasser der Briefe »Über die ästhetische Erziehung des Menschen« soll der Kulturfreund auch nicht mit leeren Händen zurückkehren: »Mittendrin haben die Besucher die Gelegenheit, sich in einem Museumsladen mit Fanartikeln und Souvenirs zu versorgen«, kündigt Monika Gysel an. Und an einer Bar wird Hochgeistiges mit Hochprozentigem gemixt.
Im Keller des Bunkers und in der ersten Etage ehren die Schauspieler »ihren« Schiller: Die große Therese Berger, Nicole Paul, Lisa Wildmann, Katharina Zoffmann, Benjamin Armbruster, Oliver Baierl, Stefan Gohlke, Max Grashof und Andreas Hilscher spielen auf zwei Etagen im Prinzip zwei Stücke, eine Soap und ein Philosophieseminar. Das Ganze läuft simultan - zwar wechseln gelegentlich die Darsteller Stück und Ebene, aber die Zuschauer (40 pro Etage) sehen zunächst nur ein Stück, bevor sie nach der Pause in die andere Ebene wechseln.
Dominik Günther, der auch schon am renommierten Hamburger Thalia-Theater Regie führte, baut das Doppelprojekt aus vielen Texten: aus Schillers philosophischen Schriften und Briefen, aus seinen Dramen und Balladen, aus Gedichten und sogar aus einer medizinischen Abhandlung, die der junge Karlsschüler und angehende Regimentsmedicus während seiner Studienzeit verfasste.
»In einem Stück nähern wir uns Schillers gedanklichen Konzepten, das wird eine Innenschau, in der die schauspielerische Interaktion nur eingeschränkt zur Geltung kommt«, verrät Monika Gysel. »Im anderen Stück werden, selbstverständlich in Schillerscher Originalsprache, Alltagssituationen am Familientisch durchgespielt.« Und natürlich kreist das Ensemble auf beiden Ebenen um die Frage, was der Dichter uns heute noch zu sagen hat - schließlich war Schiller warmherziger Dramatiker genauso wie politischer Visionär, unbestechlicher Menschenkenner wie pathetischer Geschichtsphilosoph. Er selbst wollte »Zeitgenosse aller Zeiten« sein, ewiggültige Wahrheiten fixieren.
Weitere Vorstellungen sind für den 13./14. Mai, für den 19./20. und für den 25. Mai geplant.

Artikel vom 04.05.2005