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Ermittlungen im Arbeitsamt

Schmiergeldverdacht bei Werkverträgen für mehrere 100 Ungarn

Von Ernst-Wilhelm Pape
Frankfurt/Main (WB). In einem der größten Verdachtsfälle von Wirtschaftskriminalität in Deutschland sollen auch Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit verstrickt sein. Ihnen werden Bestechlichkeit und Korruption vorgeworfen.

Nach Angaben aus Kreisen der an den Ermittlungen beteiligten neun Staatsanwaltschaften gibt es bereits Korruptionsverfahren gegen einen, möglicherweise auch gegen einen zweiten Beschäftigten der Regionalagentur für Arbeit in Frankfurt/Main. Diese ist im Baubereich für die Genehmigung von Werkverträgen ungarischer Arbeiter zuständig. Den betroffenen Mitarbeitern der Behörde werde vorgeworfen, gegen Schmiergeld Arbeitserlaubnisse für mehrere 100 ungarische Bauarbeiter ausgestellt zu haben. Hierfür gebe es eindeutige Beweise. Die Bundesagentur in Nürnberg sei bereits aufgefordert worden, die auf kriminelle Weise zustande gekommenen Arbeitsgenehmigungen zu widerrufen.
Es handele sich bisher lediglich um Verdachtsfälle, sagte gestern ein Behördensprecher dieser Zeitung. Jeder Einzelfall müsse nun genau geprüft werden. Solange dürften die Ungarn weiter in Deutschland arbeiten.
Wie berichtet hatte es am 26. April eine der bundesweit größten Razzien im Bereich der illegalen Beschäftigung und des Lohndumpings gegeben. Bei den Durchsuchungen und Kontrollen in 134 Objekten waren fünf Hauptbeschuldigte und zwei Tatverdächtige vorläufig festgenommen worden. Allein in NRW werde gegen neun Beschuldigte von zwei ungarischen Scheinfirmen ermittelt, die ihren zentralen Sitz in Euskirchen bei Köln hätten, sagte der Sprecher der federführenden Bonner Staatsanwaltschaft Friedrich Apostel dieser Zeitung. In NRW seien während der Razzia drei Haftbefehle vollstreckt worden.
Den Beschuldigten wird vorgeworfen, im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gewerbs- und bandenmäßig seit dem Jahre 2000 mindestens 1500 ungarische Arbeitnehmer in die Bundesrepublik eingeschleust und hier als Billiglohnkräfte beschäftigt zu haben. Drei Hauptbeschuldigte von ungarischen Scheinfirmen haben nach Informationen dieser Zeitung bereits ein Geständnis abgelegt, darunter der Geschäftsführer der Firmen ABA Bau Kft. und Abarapid Kft., der Ungar Dezsö O. Nach Zeugenaussagen mussten die Ungarn vor ihrer Entsendung nach Deutschland Arbeitsverträge unterschreiben, die einen Stundenlohn von fünf Euro festschrieben. In der Baubranche vorgeschrieben sind aber 12,47 Euro Mindestlohn. Jeder Bauarbeiter habe im Monat 220 Stunden gearbeitet.
Die 1500 Ungarn sind nach Angaben der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls außer auf Baustellen insbesondere in der Fleischbranche sowie in der Metallverarbeitung beschäftigt. Es sei bisher ein Umsatzvolumen von mehr als 100 Millionen Euro unrechtmäßig erwirtschaftet worden, sagte FKS-Sprecher Heinz Michael Horst. Nach ersten Schätzungen sollen bis zu 30 Millionen Euro an Steuern und Sozialversicherungsabgaben hinterzogen worden sein. Bei der Razzia war ein Vermögen in Höhe von 14 Millionen Euro gesichert worden, darunter Autos und Bargeld.

Artikel vom 04.05.2005