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»Matze« Räber
auf Karins Spur

Trainer-Frau vor 27 Jahren Meisterin

Von Thomas Bertz
Bielefeld (WB). Mit dem Titel des westdeutschen Meisters hat die Handball-A-Jugend der TSG Altenhagen-Heepen einen Erfolg eingefahren, der in der jüngeren Vereinshistorie seinesgleichen sucht. Auf dem Stundenplan der frischgekürten Meister stand seit Samstag »Feiern, Feiern, Feiern«. Doch auch abseits des Trubels bewies die Mannschaft Qualitäten.

Nicht nur, dass die A-Jugend gerade selbst Geschichte geschrieben hatte - nein, obendrein gab es von Coach Martin Räber Nachhilfe in Sachen Geschichte: »Vor 27 Jahren hat schon mal eine Mannschaft den westdeutschen Titel nach Heepen geholt«, grinste Räber, zumal er ergänzen konnte: »Meine Frau Karin war damals dabei.« Tradition, die verpflichtet.
In anderen »Fächern« ernteten seine Eleven ebenfalls gute Noten. Auch, wenn über die Leistung in der Hauptsportart Handball (beinahe) der Mantel des Schweigens gehüllt werden kann, zeigten sie abseits des eigentlichen Betätigungsfeldes ihr Können. Jubel in allen Variationen und unglaubliche Ausdauer waren eine Höchstleistung, die mit einer Wissenserweiterung in Biologie einherging. Die körperlichen Grenzen dürfte der ein oder andere ausgetestet haben . . .
Und auch im Fach Musik bewies der TSG-Knabenchor sein Können. Fast durchgängig vom Schlusspfiff bis zur Mai-Feier am Clubheim in Altenhagen sangen Werner und Co. durch. Zusätzlich zu den Gesangseinlagen bewiesen sie dabei Kreativität und Fremdsprachenkenntnis. Noch ein Plus für das Abschlusszeugnis.
Auch abseits der Haupt- und Nebenfächer zeigten sich die frischgebackenen westdeutschen Meister von ihrer besten Seite. Die soziale Komponente nimmt heutzutage bei der Notengebung bekanntlich einen nicht unerheblichen Teil ein. Da überzeugten die TSGler zunächst durch Pünktlichkeit. Trotz durchgefeierter Nacht kamen alle pünktlich zum Trecker-Korso durch das Handballdorf. Alle - außer Marvin Blanke.
Der Kreisläufer trainiert nebenbei bei der JSG Gadderbaum/Senne ein C-Jugendteam. Statt Meisterfeier kämpfte er mit seinen Burschen um Punkte. »Da muss man Respekt vor haben«, lobte Trainer Räber den Abwesenden.
Zusatzpunkte bei den Kopfnoten holte sich Daniel Ristig während der Vorstellungsrunde: »Mein Name ist nicht wichtig, bei uns zählt das Kollektiv.« Doch was wäre diese starke Gemeinschaft ohne den Rückhalt der Familien und der Fans. Das wussten auch TSV Altenhagen-Chef Klaus Güse und Trainer Martin Räber, die sich artig bedankten: »Ohne die Unterstützung wäre dieser Erfolg nicht möglich gewesen.«
In der Tat: Papa Werner, der demnächst in den TSG-Vorstand gewählt werden soll, hatte sich um das Hallenheft für das Finale gekümmert und es erst wenige Stunden vor Spielbeginn aus der Druckerei abgeholt. Welge Senior hatte sich um die Meister-Shirts gekümmert, die die TSG-er sofort nach Spielschluss überstreifen konnten. Zudem spendierte er dem Team das Fünf-Liter-Weizenglas, das die Youngster in bajuwarischer Meistermanier leerten.
Allerdings gab es statt der Bier- »nur« die obligatorischen Sektduschen. Familie Welge tat noch mehr für den Erfolg. Nicht nur, dass Keeper Pascal Welge eine ordentliche Leistung im Spiel ablieferte - sein Bruder musste ebenfalls einspringen. Der Rückraumspieler der TuS Brake fungierte als Bote. Da »Calli« seine »Glückslatschen« zu Hause vergessen hatte, musste sich der Bruder für den Titel sputen. Ganz in Familie machte auch Marvin Blanke, der sich zur Siegerehrung seinen kleinen Bruder schnappte und auf die Schultern nahm.
In der Jubelarie schien Till Deutschmann etwas verloren. Der Rückraumspieler hatte wegen Verletzungen und anstehendem Sport-Abitur auf die vergangenen Spiele verzichtet. Als Meister fühlte er sich dennoch. Und jetzt will er mehr: »Ich habe schon wieder ein wenig trainiert. Im Viertelfinal-Rückspiel bin ich dabei«, versprach er bei der Mai-Feier.
Dort wurde der westdeutsche Meister TSG frenetisch gefeiert. Und die Jungs waren auch bei prächtiger Laune, waren sie doch zuvor zwei Stunden von zwei Traktoren quer durch Heepen und Altenhagen gefahren. Dabei bewiesen sie erneut ihre erfrischend gute Laune und Sangeskraft.
Erfolgstrainer Martin Räber kommentierte den größten Erfolg der TSG-Vereinsgeschichte, den größten Erfolg nach 27 Jahren im Heeper Handball und der räberschen Familientradition trocken: »Das wurde mal wieder Zeit.« Noch einmal wollen die erfolgshungrigen TSG-Youngster nicht 27 Jahre warten. Der nächste Erfolg ist greifbar. Und am Geschichtsbuch für kommende Handball-Generationen wollen sie nur zu gerne mitschreiben . . .

Artikel vom 03.05.2005