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Patient jagt fast Tankstelle in die Luft

»Mittlere Katastrophe« blieb aus - Täter sitzt nun in der Psychiatrie

Bielefeld (uko). Dank der Geistesgegenwart und dem Mut eines Passanten ist der Stadt Bielefeld am 31. August 2004 »eine mittlere Katastrophe« erspart geblieben: An jenem Tag zündete ein Schizophrenie-Kranker an einer Tankstelle an der Artur-Ladebeck-Straße Benzin an. Der Brand wurde gelöscht. Der Täter sitzt nun in der Psychiatrie.

Den Abend des 31. August des vergangenen Jahres werden die Angestellte Sabine S. (32) und Passant Mark H. (21) in ihrem Leben nicht vergessen. Vor ihren Augen hatte Bethel-Patient Leo J. (41) eine Tankpistole gezogen und drückte den Hahn, bis fast ein Liter Benzin großflächig die Auffahrt der Shell-Tankstelle bedeckten.
Im gleichen Moment zog der Mann ein Feuerzeug und zündete den Treibstoff an. Im Nu brannte es lichterloh, die Flammen schlugen nach Erinnerung der Zeugen bis zur Zapfsäule in die Höhe. Während alle Besucher der Tankstelle in Panik flohen, behielten allein die Angestellte und der 21-Jährige kaltblütig die Nerven. Mark H. griff sich nacheinander mehrere Feuerlöscher und sprühte Pulver und Schaum ins Feuer. Sabine S. betätigte den Notschalter und stoppte so die weitere Benzinzufuhr durch die am Boden sprudelnde Spritpistole.
Der unbekannte Benzin-Attentäter war inzwischen verschwunden. Zwei Tage später wurde Leo J. indes unter dringendem Tatverdacht festgenommen. Der Mann gestand. Gestern schilderte er vor der 4. Großen Strafkammer des Landgerichts seine Situation: Er habe Selbstmord begehen wollen, weil er von seiner Freundin betrogen worden sei, sagte der Bethel-Patient. Schon seit Jahren höre er Stimmen, denen er gehorchen müsse. Er müsse sich quälen, Scherben und Steine schlucken, Disinfektionsmittel trinken oder gar Seife essen.
Der Mann, der aus dem Raum Paderborn stammt, und einst sogar mehrere Semester Jura und Philosophie studierte, musste sich wegen des »versuchten Herbeiführens einer Explosion« verantworten. Der Antragsschrift von Staatsanwalt Eberhard Leschhorn (»Fast eine Situation wie in Hitchcocks "Die Vögel"«) schloss sich das Landgericht an. Kammervorsitzender Dr. Matthias Windmann erklärte dem Mann nun so klar wie bestimmt, dass seine Krankheitsausbrüche mit solcher Gewalt kämen, dass eine unmittelbare Behandlung zwingend sei. Damit sei für den an einer paranoiden Schizophrenie leidenden Leo J. eine Unterbringung in der geschlossenen Psychiatrie unvermeidbar. »Sie tragen die Gefahr in sich«, sagte Windmann. Obwohl er das nicht wolle, gefährde Leo J. so auch weiterhin andere Menschen.

Artikel vom 03.05.2005