30.04.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Fördertöpfe für Kleine oft zu hoch

Europäische Forschungsgelder sind für »Einzelkämpfer« fast unerreichbar

Von Reinhard Brockmann
Bielefeld (WB). Kluge Ideen reichen nicht, um Europa international voranzubringen, meint Herbert Reul (CDU). Forschungsförderung, und zwar europaweit, heißt seine Lösung.

Das Gutgemeinte hat aber seine Tücken. Das wurde in einem Fachgespräch des Europaabgeordneten mit dem Landtagskollegen Michael Brinkmeier und mit Repräsentanten aus Industrie und Hochschulen am Freitag in Bielefeld deutlich.
Der zu verteilende Kuchen ist erheblich. Im bald siebten EU-Forschungsrahmenprogramm stehen 73 Milliarden Euro zur Verteilung an. Die größten Einzelposten sind Informations- und Kommunikationstechnik (13 Prozent), Gesundheit (8,4), Verkehr/Weltraumfahrt (6,0) und Materialforschung (4,9). Neu dabei sind Nanotechniken sowie Sicherheit. Losgelöst davon wird auch über eine Wiederaufnahme der lange ausgeschlossenen Grundlagenforschung nachgedacht.
Noch ist die Debatte über die EU-Finanzreform 2007-2013 nicht ausgestanden. Sollte die Bundesrepublik mit Kanzler Gerhard Schröder an der Spitze bei der harten Deckelung der deutschen Nettozahlung bleiben, dürfte die Forschung zuerst unter die Räder geraten, zumindest Abstriche hinnehmen müssen. Landwirtschaft und Strukturförderung, so Reul, hätten traditionell die stärkere Lobby, wenn es an die Kürzungen geht. Dabei hat insbesondre Deutschland reichlich Nachholbedarf. Der Anteil der Forschungsausgaben am Bruttosozialprodukt beträgt hierzulande 2,5 Prozent, Finnland und Schweden glänzen mit 3,5 bzw. 4,3 von Hundert. Japan wendet 3,1 Prozent auf.
Auch im Wettbewerb um die Förderung konkreter Vorhaben spielt die Lobby, diesmal meist die der Großunternehmen, oft die entscheidende Rolle. Professoren, die als »Pfadfinder« allein antreten, haben erfahrungsgemäß gar keine Chance. Aber auch zehn Mittelständler kommen noch nicht an die begehrten Finanztöpfe. Mindestens einen ganz großen Namen sollten sie sich ins Boot holen, raten die Praktiker. Nur Großunternehmen können über Jahre Projektbüros mit eigenem Personal in Brüssel unterhalten, um den Finanzfluss am Laufen zu halten.
Wenn die Zukurzgekommenen dann noch beobachten, dass bestimmte Unternehmen oder gar Nationen dreimal nacheinander dabei sind, ist der Frust bei den anderen groß.
Wichtige Informationen für Reul und Brinkmeier: Die kleinen sollen gestärkt werden, die Werkzeuge dafür heißen Bündelung und eventuell Zwei-Stufen-Verfahren.
Dem langjährigen Landespolitiker Reul ist auch aus der neuen Brüsseler Sicht ein Defizit ins Auge gesprungen: Aus europäischer Forschungsförderung kommen in Baden-Württemberg pro Einwohner 13 Euro und in Bayern 9 Euro an. In Nordrhein-Westfalen sind es pro Kopf gerade 6 Euro.

Artikel vom 30.04.2005