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Seltene Perlen in Klangschönheit

Konzert gegen das Vergessen

Von Lara Venghaus
Bielefeld (WB). Unbekannte Werke bekamen die Zuhörer am Freitag in der gut besuchten Oetkerhalle zu Gehör, denn mit Luigi Cherubinis Requiem in c-Moll, Lili Boulangers Vertonung des 130. Psalms und Igor Strawinskys »Psalmensinfonie« standen Kompositionen auf dem Programm, die heute nur selten aufgeführt werden.

Der Musikverein unter der Leitung von Wolfgang Helbich hatte anlässlich des 60. Jahrestags des Kriegsendes zu einem Konzert »Gegen das Vergessen« eingeladen und das erlesene Programm zusammengestellt.
Sanfte Klänge von Celli und Fagott entführten das Publikum in Cherubinis schlicht gehaltenes Requiem. Die ersten drei Sätze verzichteten völlig auf die hohen Streicher, wodurch der Chor umso feiner im Introitus durch ein präzise gesprochenes, tonschönes Piano fesseln konnte. Überhaupt war die dynamische Gestaltung bemerkenswert; so bewies der Chor besonders an den Piano-Forte-Stellen, wie präsent er zu reagieren vermochte.
Auch wenn Wolfgang Helbich mit seinen bloßen Händen durchaus innig dirigierte, wurden seine Tempivorgaben nur schwerfällig umgesetzt, was den Gesamteindruck aber nur wenig trübte. Verwundert wurde der Zuhörer durch die nahezu sanften Klänge des »Dies Irae«, des Tages des Zorns, welchem in bekannteren Werken wie etwa den Requien von Verdi oder Mozart große, klangvolle Sätze gewidmet wurden.
In Boulangers Vertonung des 130. Psalms wurde die Verzweiflung, mit der die Worte »Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir« durch den Saal klangen, nahezu greifbar. Die Tiefe, die sich im Orchester in der Instrumentierung widerspiegelte, erschien als bedrohlicher Abgrund, über dem die Zuversicht auf Vergebung und Gnade klangschön von den Solisten vorgetragen schwebte.
Ursula Eittingers Mezzosopran bestach durch wenig Vibrato und selbst in der Höhe verlor ihre Stimme nichts von dem warmen sanften Glanz, durch den sie brillierte. Thomas Volle beeindruckte durch seinen weichen Tenor, der auch in der Höhe noch seine gesamte Klangqualität entfalten konnte.
Höhepunkt des Konzertes bildete jedoch Strawinskys Psalmensinfonie. Es ist eine Auftragsarbeit zum 50-jährigen Bestehen des Boston Symphony Orchestra gewesen und rief bereits beim Auftritt des Orchesters großes Erstaunen hervor, denn Strawinsky verzichtete auf hohe Streicher und vergrößerte den Bläserapparat fast um das doppelte. Die Besetzung dürfte mit ein Grund dafür sein, dass das Werk heute nur noch selten zu hören ist. Die Holzbläser-Soli im Einleitungsteil waren mit wunderbarer Klangschönheit und -vielfalt gespielt; überhaupt überzeugten die gut disponierten Bläser mit weichem, warmen Ton und guter Intonation.
Leider konnte der Chor es ihnen nicht gleich tun, besonders die Intonationsschwierigkeiten, die in der Schwere und Anstrengung des Notentextes begründet waren, ließen die Frage aufkommen, ob Helbich mit diesem Programm nicht zu hoch gegriffen hatte.

Artikel vom 03.05.2005