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Kommentar
Kampfreden zum 1. Mai

Heuschrecken und Vernunft


Es stimmt: Die Zahl der Armen in Deutschland nimmt zu. Lange Jahre der Arbeitslosigkeit nagen am Selbstwertgefühl. Wer offenen Auges durch Städte wie Bielefeld geht, erschrickt, wie viele Obdachlose sich inzwischen ihr Essen aus Müllkörben herausfischen -ƊBilder, die man früher nur aus der Dritten Welt kannte.
Es stimmt: Auch die Zahl der Reichen in Deutschland nimmt zu. Lange Phasen geschickten Verschiebens von Arbeitsplätzen und Steuerpflichten zahlen sich beim Einen oder Anderen aus. Wer das Einkommen manches Top-Managers sieht, erschrickt, wie viel einer verdienen kann, der Jobs abbaut.
Es stimmt, es stimmt, und trotzdem: Wer nur schwarzweiß malt, mag manche Wählerstimme mobilisieren - dem Standort Deutschland aber hilft er so nicht. Schon Franz Müntefering, der Sancho Panza im Kampf gegen kapitalistische Heuschrecken, tut sich schwer, wenn er seine Vorwürfe konkretisieren soll. Plant er etwa eine Alternative zu Gerhard Schröders »Agenda 2010«? Und die Gewerkschafter, die gestern pauschal die Gier nach Gewinnen geißelten: Müssen sie nicht heute wieder mit vernünftigen Unternehmern Kompromisse schließen, um Arbeitsplätze ihrer Mitglieder zu erhalten? Bernhard Hertlein

Artikel vom 02.05.2005