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Warburger Steinzeitmann hat
ein neues Gesicht erhalten

5400 Jahre alter Schädel von Pariser Künstlerin rekonstruiert

Von Jürgen Vahle (Text und Foto)
Warburg/Herne (WB). Ein Steinzeitmensch, der vor 5400 Jahren in Warburg beerdigt wurde, hat ein neues Gesicht erhalten. Gerichtsmediziner der Pariser Gendarmerie und die Künstlerin Elisabeth Daynès haben mit Hilfe moderner Verfahren aus der Kriminaltechnologie dem Ur-Warburger ein Antlitz zurückgegeben.

Die Experten in Paris waren zuletzt auch für die Gesichtsrekonstruktion des Seeräubers Klaus Störtebeker verantwortlich. Zu sehen ist das modellierte Gesicht des etwa 40 Jahre alten Warburger Steinzeitmannes im Museum für Archäologie in Herne. Dort wird heute die Dauerausstellung »Forscherlabor« eröffnet. Der Warburger Schädel und weitere Funde aus der alten Hansestadt stehen im Mittelpunkt der Präsentation, die Laien die Arbeitsweisen und Analyseverfahren der Archäologen näher bringen soll.
Entdeckt wurden die Gebeine und der Schädel des jetzt rekonstruierten Steinzeitmenschen Anfang der 90er Jahre auf einem Feld am Warburger Stadtrand. Bestattet war er in einem Großsteingrab gemeinsam mit 80 weiteren Personen. Für die Rekonstruktion ausgewählt wurde er von den Archäologen vor allem deshalb, weil neben seinem Schädel auch noch sein Unterkiefer erhalten war.
Während Wissenschaftler die Rekonstruktion von Gesichtern in der Vergangenheit oft kritisch betrachteten, ist die Methode heute allgemein anerkannt, berichtete gestern die Archäologin Sandra Fleschenberg (35), die an dem Projekt »Forscherlabor« entscheidend mitgewirkt hat.
Die plastische Chirurgie und die Gerichtsmedizin haben in den vergangenen Jahren erhebliche Fortschritte gebracht - vor allem durch die Kombination der Computertomographie und der digitalen Bildverarbeitung. Deformationen an Knochen lassen sich heute mit Hilfe des Computers korrigieren. So lassen sich beispielsweise bei unvollständigen Funden spiegelbildliche Kopien für die fehlenden Seiten des Schädels herstellen.
Beim Nachbilden des Gesichts mit Hilfe von Modelliermasse und künstlichen Haaren orientieren sich die Wissenschaftler und Künstler wie die Pariserin Elisabeth Daynès häufig an den heute lebenden Menschen. Künstliche Muskelansätze und Muskelverläufe, Fett- und Fleischschichten werden auf den als Knochen rekonstruierten Schädel aufgetragen. Die Dicke der Haut und Muskelschichten kann anhand des Schädelknochen exakt berechnet werden.
Trotz aller Fortschritte bleibt die Rekonstruktionen jedoch in vielen Bereichen willkürlich. Denn Haar- und Augenfarbe lassen sich anhand des Knochens nicht mehr ermitteln. Auch die Frage, ob der rekonstruierte Mann Bartträger war oder nicht, bleibt ungewiss. Der Ur-Warburger hat daher in dem Atelier der Pariser Künstlerin das Aussehen erhalten, das auch heute noch häufig vorkommt: grüne Augen und mittelblonde Haare.

Artikel vom 29.04.2005