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Villa Windel: Richard Woernle und Kollegin Gertrud Kleinhempel schufen mit deren Innengestaltung ein bemerkenswertes Raumkunstwerk.

Villa, Wasserturm und
jetzt auch ein Ehrenmal

Restaurator »entdeckt« Arbeit von Richard Woernle

Von Annemargret Ohlig
(Text und Fotos)
Senne (WB). Sie hatten vermutlich einen ähnlichen »Geschmack«: Der Senner Fabrikant Gustav Windel und der Architekt und langjährige Rektor der Kunstgewerbeschule, Richard Woernle. Das zeigte sich immer dann, wenn Windel ein größeres Bauwerk plante. Etwa die eigene Villa 1914, oder, elf Jahre später, das Wahrzeichen des Unternehmens: den Wasserturm.

Obwohl zwar selbst kein Schöngeist, hatte Windel dennoch Sinn für standesgemäße Repräsentation und Traditionswahrung, weiß Dr. Gerhard Renda vom Historischen Museum Bielefeld. Schon aus diesem Grunde waren, neben weiteren anerkannten Künstlern, auch die Entwürfe des 1882 im schwäbischen Esslingen geborenen Woernle bei dem Senner Unternehmer gefragt.
1910 an die wenige Jahre zuvor gegründete Handwerker- und Kunstgewerbeschule gekommen, unterrichtet der Architekt die Fachklasse für Bauhandwerker. Von 1925 bis zu seiner Pensionierung 1948 stand er als Rektor an der Spitze dieser Schule. Gemeinsam mit der ersten preußischen Professorin, der ebenfalls dort lehrenden Gertrud Kleinhempel, war Professor Woernle mit der Ausgestaltung der von dem Bielefelder Architekten Wilhelm Wiethüchter entworfenen Villa beauftragt worden. Er gestaltete dort Diele, Treppenhaus, Garderobe, Herren- und Esszimmer.
Und auch für den Wasserturm, der ebenfalls von Windels »Haus- und Hof-Architekten Wiethüchter« gebaut wurde, lieferte Woernle den Entwurf. Der wurde dann allerdings überarbeitet. Ursprünglich sollte ein Türmchen das Dach des markanten Gebäudes krönen - es wurde nicht realisiert. Auch auf die Jahreszahl 1925 im oberen Turmbereich wurde verzichtet und auch die Fenster wurden anders gestaltet. »Vermutlich aus Dank für diese lukrativen Aufträge hat er für Gustav Windel ein Aquarell gemalt, das sich immer noch in der Villa befindet«, sagt Dr. Sebastian Meyer-Storck, Geschäftsführer des Textilveredlungsunternehmens Windel.
Doch nicht nur in großen Dingen stand Woernle dem Fabrikanten aus Senne als künstlerischer Ratgeber zur Seite. Das ist kürzlich eher zufällig ans Tageslicht gekommen - bei Restaurierungsarbeiten. Bei dem 1919 von Gustav Windel in Auftrag gegebenen Ehrenmal für die in den Jahren 1914/1918 »fürs Vaterland gefallenen Mitarbeiter« der Firma Windel, entdeckte der mit der Sanierung beauftragte Metallbaumeister und Restaurator im Handwerk, Jürgen Weist, eine »vergessene« Einprägung. Entwurf: Richard Woernle ist am unteren Rand der großen Bronzetafel zu lesen.
Diese Inschrift war im Laufe der Jahrzehnte nahezu unleserlich geworden, weil unter einer grünen Patinaschicht verborgen. Für Dr. Sebastian Meyer-Storck und seinen Vater, Seniorchef Friedrich Meyer-Storck, eine ganz besondere Entdeckung. »Sie ist eine weitere Abrundung im Ensemble, das Woernle damals für unser Unternehmen geschaffen hat.«
Hätte sich nicht durch Rostfraß an der Befestigung die Bronzetafel gefährlich von der Muschelkalk-Mauer gelöst, so hätte man wohl weiterhin nur die vielen Namen der im Ersten Weltkrieg gefallenen Windel-Mitarbeiter und den ebenfalls dort eingegossenen Jesaja-Spruch »Doch es wird nicht dunkel bleiben über denen, die in Angst sind« bemerkt - und nicht den Hinweis auf den Künstler-Entwurf.
»Es ist jedoch nicht ungewöhnlich, das Richard Woernle auch solche Arbeiten entworfen hat«, sagt Dr. Gerhard Renda. »In Bielefeld hat er durchaus verschiedene Grabmale entworfen - immer in Metall«. Dazu gehöre auch das des Ehrenfriedhofs in Brackwede für die Kriegstoten des Ersten Weltkriegs, hat Renda herausgefunden.
Doch nicht nur im heutigen Bielefelder Süden waren Richard Woernles Entwürfe gefragt. In den zwanziger Jahren plante er für den Kesselbrink einen neuen großstädtischen Zuschnitt - der aber bis heute ein Traum blieb. Die Inflation verhinderte eine Umsetzung.

Artikel vom 29.04.2005