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Grüne Pötte haben es in sich - Energiewirte veredeln Rohstoff

Großes Interesse an Holz-Brennern - Boom beim Biogas nicht nur in OWL

Von Reinhard Brockmann
Lage/Verl (WB). Der Landwirt von morgen heißt »Energiewirt«. Bauern sehen das ganz praktisch. »An den grünen Pötten links«, weist ein Traktorfahrer den Weg zum Biogas-Hof Wester-Ebbinghaus in Verl.

Um alle Formen erneuerbarer Energien ging es gestern bei einer Tour mit Staatssekretär Alexander Müller und Regierungspräsident Andreas Wiebe von Petershagen über Lage bis Verl.
Mit Holz heizen sei alles andere als altmodisch, meint Müller. Steigende Ölpreise und ein Technologieschub hätten dazu geführt. Kurzum: Niemand muss noch frühmorgens Holz nachlegen.
Wie auf dem Hof von Heinrich und Christin Krawinkel in Lage. Dort wird mit Holzschnitzeln aus dem eigenen Forst geheizt. Selbst wenn der Landwirt seinen Jahresbedarf von 150 Kubikmetern (entspricht 10 000 Litern Öl) zum Marktpreis von 15 Euro pro Einheit kaufen müsste, die Anlage hätte sich nach acht Jahren amortisiert. Der 60-kW-Brenner für Holzschnitzel, Sägespäne oder Pellets war zunächst zweieinhalbmal so teuer wie eine normale. Dafür gab es aber auch einen »verlorenen« Zuschuss von 40 Prozent. »Wir haben ein großes Potenzial an Biomasse und können den Wäldern mehr entnehmen, ohne sie in ihrer Substanz zu gefährden«, sagt Müller.
National setzt der Staatssekretär aus dem Ministerium von Renate Künast auf die gesamte Palette von Wind über Solar, Biogas und Erdwärme. Aber der Mann aus dem Landwirtschaftsministerium macht kein Hehl daraus, dass ihm die Biogasnutzung besondere Freude bereitet. Eine »Erfolgsgeschichte« sei das und zwar nicht nur für die Hersteller solcher Anlagen sondern auch deshalb, weil es gelinge »Wertschöpfung im ländlichen Raum« stattfinden zu lassen: Holz ersetze Öl, schaffe Arbeitsplätze im ländlichen Sektor und am Ende stünden exportfähige Anlagen für synthetische Kraftstoffe.
Die Zahl der Neuanträge explodiere geradezu, berichtet Müller. Allein in Ostwestfalen-Lippe sind 37 Anlagen in der Planung oder im Bau, 23 laufen bereits. Zwei Biogas-Pioniere standen auf der Tourliste von Müller und Wiebe. Auf dem Hof David in Ovenstaedt bei Petershagen erfuhren sie von der typischen Skepsis bei Banken, die den Frühstarter zwangen ohne Kredite auszukommen. Christian und Elisabeth Wester-Ebbinghaus in Verl konnten ihrerseits ein Lied vom bürokratischen Hürdenlauf an höchster Stelle vortragen.
Dennoch ist der Verler Bio-Gas-Verwerter mit seiner seit 2001 laufenden Anlage mehr als zufrieden, die Erweiterung ist beantragt.
Auf seinem Hof bilden besagte grüne »Pötte« das weithin sichtbare Herz der Anlage. Im Fermenter mit 670 Kubikmetern Fassungsvermögen wird »Schwerverdauliches«, im Nachgärer daneben mit 1200 Kubik das »Leichtverdauliche« biologisch zu Gas umgewandelt. Verwertet wird die Gülle von 1200 Mastplätzen und eine Reihe anderer Gärstoffe - vom Rasenschnitt über Speise- und Bananenreste bis zur Bleicherde.
Das Gas treibt einen Stromgenerator zur Deckung des Eigenbedarfs. Der Rest wird ins öffentliche Netz eingespeist. Dafür kassiert Wester-Ebbinghaus gut 10 Cent pro Kilowattstunde. Ganz nebenbei gibt es noch Wärme, für Ställe, Wohnhaus und Altenteil.
Staatssekretär und Regierungspräsident nicken zufrieden: Landwirte sollen nicht irgendwo billige Rohstoffe zur Verbrennung abliefern, sondern Energiewirte sein und neuen Verdienst für sich sowie Beschäftigung für andere erschließen. Das erhält den ländlichen Raum, auch wenn die »Riesenpötte« bald das Land ähnlich - aber nicht ganz so überragend - wie die Windräder prägen werden.

Artikel vom 29.04.2005