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Kleine Kiloräuber
auf fettem Beutezug

Dauerhafte Hilfe für übergewichtige Kinder und ihre Eltern

Von Larissa Kölling

Bielefeld (WB). Dicke Menschen haben es im Alltag oftmals schwer. Kinder sind vielfach noch stärker betroffen. Hänseleien auf dem Schulhof, schlaflose Nächte vor dem Schwimmunterricht und eng sitzende Klamotten gehören zu ihrem Leben. Etwa fünf Prozent aller bundesdeutschen Kinder sind krankhaft dick - adipös. Sie brauchen Hilfe, damit in ihrer Zukunft nicht ernsthafte Krankheiten auftreten. Das Bielefelder Programm »Kiloräuber« hat bereits 21 Mädchen und Jungen geholfen, ihre Probleme in den Griff zu bekommen.

Eine gesunde Ernährung, Freude an der Bewegung und vor allem ein gestärktes Selbstvertrauen - das sind die Ziele des Tainingskonzeptes für übergewichtige Kinder und Jugendliche. »Kiloräuber« heißt es, und doch ist der Name fast ein wenig irreführend. Denn: »Die Kinder sollen wachsen, ohne zuzunehmen«, beschreibt Ernährungswissenschaftlerin und Kurskoordinatorin Ruth Dinter den Ansatz, Abnahme ist eigentlich Nebensache.
Das Projekt des Ärztenetzes »Medi OWL« mit Unterstützung der Bielefelder Bürgerstiftung läuft seit November 2003. Zwei jeweils einjährige Kurse sind bereits sehr erfolgreich durchgeführt worden. »Ohne die Bürgerstiftung wäre unser Projekt gar nicht zustande gekommen, denn die Kurse sind sehr kostenintensiv«, freut sich Dr. Michael Müller, erster Vorsitzender von »Medi OWL« über die Kooperation.
»Wir betreiben hier Sekundärprävention«, erklärt Kursleiter Dr. Walter Müller, der eine Praxis als Kinderarzt und Umweltmediziner im Medizinischen Forum in Bethel betreibt. »Wir wollen den betroffenen Kindern helfen, damit sie später nicht an den typischen Folgeerkrankungen wie Diabetes, Gelenkerkrankungen und Herz-Kreislauf-Problemen leiden.«
Zwölf Monate lang treffen sich die Mädchen und Jungen zwischen acht und zwölf Jahren einmal pro Woche. Fast immer wird Sport unter der Aufsicht und Anleitung von zwei Sporttherapeutinnen getrieben.
Spaß ist garantiert beim Inlineskaten, Klettern, Tanzen, Walken, Hopsen, Springen. »Bewegung ist wichtig, besonders wichtig ist aber die Alltagsbewegung. Im Kaufhaus lieber die Treppe nehmen, Müll runter tragen oder mit dem Hund Gassi gehen - wir versuchen, unsere ÝKiloräuberÜ dafür zu sensibilisieren«, erklärt Ruth Dinter.
Für eine bessere Kontrolle und Selbsteinschätzung wird ein Selbstbeobachtungsbogen zu Ernährung, Sport, Alltagsbewegung und Faulenzen geführt. »Die Kinder sollen lieb gewonnene Gewohnheiten langsam ändern. Das fällt den Kids oft leichter als den Eltern«, weiß Dr. Walter Müller. Dabei ist der Einfluss beziehungsweise die Einsicht der Erziehungsberechtigten besonders wichtig, denn vielfach haben die krankhaft dicken Töchter und Söhne auch dicke Mütter und Väter. Daher werden auch zahlreiche Gespräche mit den Eltern geführt und diese werden auch direkt, zum Beispiel in die Kochpraxis, eingebunden. Adipositas ist ein wichtiges Thema, allein von 1985 bis 1999 ist der Anteil der zu behandelnden übergewichtigen Kinder von 0,7 auf 6,7 Prozent angestiegen. Ebenso ist dies ein noch nicht ausreichend erforschter Bereich, denn erst seit zehn bis 15 Jahren befindet sich dieser im Blickfeld - auch der Wissenschaft. In Bielefeld besteht jedoch für die betroffenen Kinder und ihre Eltern durchaus noch Hoffnung. Im Augenblick wird übrigens ein neuer Kurs zusammengestellt.

Artikel vom 05.05.2005