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Das Wort zum Sonntag

Von Pfarrer Hans-Jürgen Feldmann


Der morgige Sonntag heißt »Rogate« - »Betet«. »Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft, noch seine Güte von mir wendet« (Ps. 66, 20), so der Wochenspruch. »Bittet, so werdet ihr nehmen, dass eure Freude vollkommen sei« (Joh. 16, 24), sagt Jesus im Evangelium.
Eines fällt auf: In diesen und ähnlichen Worten ist nicht davon die Rede, dass Gott auf Gebete hin Wünsche erfüllt. »Bittet, so wird euch gegeben«, heißt es an anderer Stelle. Was da gegeben wird, bleibt offen. Worum gebetet wird und was dann geschieht, muss keineswegs übereinstimmen. Oft klafft es auseinander. Manche schließen daraus - voreilig oder auch enttäuscht -, Gott reagiere auf ihr Beten überhaupt nicht. Viele haben es daher schon aufgegeben, die Hände zu falten, weil es scheinbar doch zu nichts führt und nichts bewirkt.
Aber, wie so oft bei Problemen mit dem Glauben, wird die Ursache dafür bei Gott gesucht und nicht bei sich selbst. Vielleicht jedoch gibt es nur deswegen so wenig Erfahrungen mit dem Gebet, weil es von falschen Voraussetzungen ausgeht und damit von vornherein auf einen Holzweg führt.
Menschen fühlen sich gern als Macher, die ihr Geschick in die eigenen Hände nehmen und es darin auch behalten wollen. Erst wenn sie sehen, dass sie mit ihrem Latein am Ende sind, erinnern sie sich an eine größere Macht und versuchen, sie in ihrem Sinne zu beeinflussen.
Daher wird in der Not mehr gebetet als im Glück. Das Gebet ist dann aber eigentlich nur eine Fortsetzung menschlichen Tuns und Machens mit anderen Mitteln. Man gibt die Fäden nicht wirklich aus der Hand, sondern möchte Gott nur zusätzlich einspannen, daß er nun die eigenen Ziele verfolgt und die Lösungen herbeiführt, die man sich selbst wünscht.
Für Jesus ist diese Art zu beten pures Heidentum. Denn es ist ein Grundzug heidnischer Religion, die Gottheit günstig zu stimmen und durch Opfergaben im eigenen Interesse zu beeinflussen.
Dagegen setzt er in der Bergpredigt die völlig andere These: »Euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet« (Matth. 6, 8). Verheißungsvolles Beten geht also davon aus, daß Gott von vornherein gütig ist, immer schon, von Anfang an, vor allem Beten. Gott ist gütig, auch wenn wir das nicht in jeder Situation nachvollziehen können. Wer recht betet, begibt sich somit in einen Raum der Güte und des Heils.
Es geht nicht darum, die Fäden doch noch, wenn auch mit allerletzten Mitteln, in der Hand zu behalten, sondern die Regie über das eigene Leben abzugeben, die eigenen Geschicke in größere Hände zu legen, das eigene Leben in der größten und tiefsten Liebe zu bergen.
Ist dann das Gebet aber nicht überflüssig? Wenn Gott schon alles weiß, was sollen wir ihm dann noch sagen? Ein solcher Einwand verkennt, daß Menschen mit Gott durch Sprache verbunden sind. Er selbst ist kein stummer Gigant, sondern ist Wort, ist Anrede, Trost und Zuspruch. Gott spricht, und er ist ansprechbar. Daher hat er ein offenes Ohr für uns: für unsere Bitten und für unseren Dank, für unsere Sorgen und für unsere Angst, aber auch für unsere unfrisierten Gedanken, für unsere feindseligen Gefühle, für unseren Hass auf andere und für unseren Selbsthass. Gott erhört unsere Gebete, indem er sie zurechtrückt und transformiert. Er gestaltet unsere Wünsche und Gedanken nach seinem größeren Willen um und nimmt uns hinein in den »Frieden, welcher höher ist als alle Vernunft«. Gott erhört unsere Gebete nicht wie ein Notdienst.
Denn wir sollen lernen, dass es nicht um die Pfennige in seiner Hand, sondern um seine Hand, ja um ihn selber geht.

Artikel vom 30.04.2005