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»Müntefering-Kritik schädlich«

Arbeitgeberpräsident Hundt sieht den Standort Deutschland gefährdet

Berlin (dpa). SPD-Chef Franz Müntefering gefährdet nach Ansicht der Arbeitgeber mit seiner anhaltenden Kapitalismus-Kritik den Standort Deutschland.

Die von Müntefering entfachte Debatte sei »hochgradig schädlich«, weil sie Investoren verschrecke, sagte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt. »Ich finde es zum Kotzen, was derzeit in dieser Republik abläuft«, so Hundt. »Anstatt dass wir uns mit unseren bestehenden Problemen beschäftigen, reden wir von Heuschreckenplagen, von Raubtierkapitalismus, von asozialem Verhalten und dergleichen mehr«, kritisierte der Chef der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände.
In der Bevölkerung stoßen Münteferings Thesen auf Zustimmung. Laut ZDF-Politbarometer sind fast drei Viertel der Befragten (74 Prozent) überzeugt, dass zahlreiche Unternehmen trotz hoher Gewinne in Deutschland Arbeitsplätze ins Ausland verlagern. 78 Prozent unterstützen die Aussage, für Unternehmen seien Menschen nur noch ein Kostenfaktor wie Maschinen, ergab eine Erhebung des Ipsos-Instituts.
Saarlands CDU-Ministerpräsident Peter Müller sieht »einzelne Degenerationserscheinungen« in der deutschen Wirtschaft. Es gehe nicht an, dass in Zeiten, wo die Einkommen der Arbeitnehmer zum Stillstand gekommen seien, die Managergehälter großer Aktiengesellschaften im Schnitt um 80 Prozent erhöht würden.
SPD-Politiker forderten die Deutsche Bank auf, nach ihrer deutlichen Gewinnsteigerung den geplanten Jobabbau zurückzunehmen. Die SPD-Linke Andrea Nahles sagte, angesichts dieser überraschend hohen Renditen müsse das Geldinstitut darauf verzichten. NRW-Wirtschaftsminister Harald Schartau (SPD) erklärte: »Viele Menschen können es einfach nicht mehr ertragen, dass ständig Gewinnankündigungen mit Personalabbau verbunden werden.«
Der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft, Mario Ohoven, erklärte: »Die SPD sollte ihren investitions- und beschäftigungsfeindlichen Rückfall in klassenkämpferische Zeiten schleunigst beenden. Herr Müntefering spielt ein falsches Spiel: Er weiß sehr genau, dass die ganz überwiegende Zahl der Unternehmer in Deutschland ihrer gesellschaftlichen Verpflichtung verlässlich nachkommt.« Der Mittelstand beschäftige mehr als 70 Prozent aller Arbeitnehmer und bildet acht von zehn Lehrlingen aus.
Der frühere SPD-Chef Oskar Lafontaine forderte seine Partei auf, der Kritik konkrete Taten folgen zu lassen. Statt über das Fehlverhalten von Managern zu jammern, müsse die Bundesregierung den Spitzensteuersatz wieder über 50 Prozent erhöhen, eine Managerhaftung einführen und die Manager-Bezahlung mit Aktienoptionen verbieten. Vor allem müssten die Hartz-IV-Gesetze zurückgenommen werden.
Wirtschaftsforscher warnten dagegen vor Gesetzesinitiativen. »Diese Debatte ist störend und international schädlich«, sagte Klaus Zimmermann, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Nach Einschätzung der US-Handelskammer in Deutschland (AmCham) verstören Münteferings Äußerungen ausländische Investoren.

Artikel vom 30.04.2005