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Ein Trainer im Zwiespalt

Rapolder stellt ähnliche Fragen wie Benno Möhlmann vor zwei Jahren

Von Hans Peter Tipp
Bielefeld (WB). Bleibt er? Oder geht er doch? Seit dem Wechsel von Delron Buckley zu Borussia Dortmund haben sich diese Fragen zugespitzt. Was ist das Richtige? Das weiß Trainer Uwe Rapolder vom Fußball-Bundesligisten Arminia Bielefeld selber nicht genau. Während Verein und Öffentlichkeit auf eine schnelle Antwort warten, zeigte der 46 Jahre alte Fußball-Lehrer gestern bei der Pressekonferenz nachvollziehbar, dass die nicht immer nur aus »ja« oder »nein« besteht.

Ein innerer Zwiespalt - so ist die momentane Gefühlslage des Trainers bei der Suche nach seinem Weg wohl zu beschreiben. Auf der einen Seite der DSC Arminia, das Bekannte, der Verein, bei dem er die größte öffentliche Wirkung in seiner gesamten Trainerlaufbahn erzielt hat. Jener Verein, wo die Aufbauarbeit allerdings im Sommer neu beginnt.
Auf der anderen Seite: Verheißungen und Verlockungen aus Köln, Kaiserslautern oder Gladbach, die allerdings noch nicht konkret, noch nicht greifbar sind. Alles Herausforderungen, die auf den ersten Blick mehr Ruhm und Geld sowie leichtere Erfolge versprechen, als in Bielefeld im ewigen Abstiegskampf weitere Fußballwunder zu bewirken.
»Hier muss der Trainer Jahr für Jahr gegen den Abstieg spielen und Jahr für Jahr neu planen. Da stellt sich die Frage: Kannst du das oder kannst du das nicht? Mit wollen hat das nichts zu tun«, stellte Rapolder fest. Und genau diese Antwort hat er bisher noch nicht gefunden.
Rapolder ist klar, dass er die Entscheidung nicht ewig aufschieben kann: »Ich weiß ja, dass die Entscheidung auf den Nägeln brennt - mir ja auch.« Und er muss sie selber treffen. Allzu viel Mitgefühl in einer professionellen Branche, die extreme Schmerzensgelder zahlt, verbietet sich von selbst. Wünschenswert aber -Êvor allem im Sinne des Vereins - wäre jedoch eine zügige Ansage.
Auf jeden Fall war es gestern ein ehrlicher Auftritt. »Im Moment ist es so, dass ich etwas in den Seilen hänge«, gab der hier zum Erfolgstrainer gewordene Übungsleiter zu. Das Auseinanderfallen jener Sportgruppe, die er in die Nähe einer europäischen Spielmöglichkeit geführt hat, macht ihm schwer zu schaffen: »Da ist etwas zusammengewachsen im zwischenmenschlichen Bereich.« Es ist nicht mehr Buckleys Weggang allein, auch nicht der Owomoyelas - es ist das ganze Teamgefüge, das Rapolder aus der Spur geraten sieht. »Im nächsten Jahr, da gucken dich zehn andere Spieler an. Das ist dann nicht mehr dasselbe. Das ist eine andere Mannschaft, auch wenn das Gerippe der Truppe noch da ist.«
Und damit sei es in Bielefeld ja nicht getan, so die Langzeitanalyse des Trainers: »Was ist denn passiert? Die Jungen sind gegangen, die Alten sind geblieben. Also steht danach wieder ein Umbruch an, und dann noch einer: In den nächsten drei Jahre wird es im Arminen-Kader noch zwei Umbrüche geben.«
Ob er diese mittragen wolle, ob Feuer und Leidenschaft ausreichen, das müsse er herausfinden -Êvor allem in Gesprächen mit der Familie und mit Freunden. »Ich muss selber spüren, dass das wieder meine Aufgabe ist.« Spätestens das erinnerte nun ausgesprochen deutlich an Worte seines Vorgängers Benno Möhlmann, die dieser zwischen vermeidbaren Erstligaabstieg und dem schwierigen Neuanfang 2003 wählte.
Und es war Rapolder, dem diese Analogie gestern ebenfalls auffiel: »Benno Möhlmann hat doch das Gleiche gehabt in der Saison, als ich gekommen bin.« Ähnliches ist auch dem jetzigen Arminia-Trainer schon widerfahren - in seinem letzten Jahr in Mannheim. »Da haben uns mit Skela, Vata und Balitsch nur drei Spieler verlassen. Dafür haben wir Maximow, Trares und Iwanow geholt. Die hatten mehr als 200 Bundesligaeinsätze. Aber plötzlich war kein Zug mehr in der Truppe. Dann hat es gerade mal zehn Spiele gedauert, bis man mir mitgeteilt hat, dass es keinen Sinn mehr mache.«
Solch ein Ende in Bielefeld? Das scheint für Rapolder nach monatelangem Triumphzug einfach unvorstellbar. Das will er sich ersparen -Êund lieber vorzeitig gehen. »Du musst das Gefühl haben, dass du es schaffen kannst. Sonst hat es keinen Sinn.« Und dabei, das gab er gestern bei einem der offensten Auftritte der vergangenen Wochen zu, geht es weder um den Verein, noch um Traditionen, noch um die Mannschaft. Rapolder: »Es geht im Moment nur um mich und um meine Befindlichkeit.«

Artikel vom 30.04.2005