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Steuerfahnder in der Disko

Stadtmitarbeiter sollen Vergnügungssteuer überwachen

Bielefeld (hu/MiS). Auf einhellige Ablehnung in der Politik und auf Unmut unter Gastwirten und Diskothekenbetreibern stoßen Pläne des Amtes für Finanzen, städtische Mitarbeiter in ihrer Freizeit als Vergnügungssteuer-Kontrolleure einzusetzen. Nach Bekanntwerden der internen Pläne hat Erster Beigeordneter Rainer Ludwig als Vertreter des Oberbürgermeisters Stadtkämmerer Franz-Josef Löseke um Berichterstattung im Verwaltungsvorstand gebeten.

Alle 5000 Bediensteten der Stadt haben per E-Mail ein Schreiben erhalten, in dem Freiwillige für die Kontrollgänge gesucht werden. »Bislang gibt es auch schon positive Rückmeldungen von Mitarbeitern«, erklärt Joachim Berens, Leiter des Amtes für Finanzen und Beteiligungen der Stadt.
Funktionieren soll das Modell wie folgt: Ein Mitarbeiter der Stadt geht - ohne dass er sich als solcher zu erkennen gibt - abends in die Disko oder besucht eine Party und stellt unter anderem fest, wie hoch die Eintrittspreise sind und wie viele Besucher gekommen sind. Als Gegenleistung übernimmt die Stadt den Eintritt, vergütet die Fahrtkosten mit 30 Cent pro Kilometer und schreibt eine halbe Stunde zuzüglich der Fahrtzeiten als Arbeitszeit gut.
»Der Zweck rechtfertigt nicht jedes Mittel«, kommentierte Detlef Werner, finanzpolitischer Sprecher der CDU, das Vorgehen der Verwaltung. Es sei zwar formal korrekt, er habe aber dennoch den Vorsitzenden des Finanzausschusses, Rainer Lux (CDU), gebeten, das Thema in der nächsten Sitzung zu behandeln. Als »unmoralisches Angebot« sieht der grüne Finanzpolitiker Klaus Rees das Verwaltungsvorgehen. Mit dem Vorstoß könne sich die Stadt nur bundesweit blamieren. Die Verwaltung dürfe keine Politik des Misstrauens betreiben, reagierte Hans Hamann (SPD) auf das Vorhaben. Rainer Ludwig, der den in Urlaub befindlichen OB gestern vertrat, sagte, es sei auch eine »Frage der Geschicklichkeit«, wie an ein solches Thema herangegangen werde. Er bat seinen Kollegen über das Zustandekommen der hausinternen E-mail im Verwaltungsvorstand zu berichten, weil dies dort bisher nicht geschehen sei.
Etwa 500 000 Euro nimmt die Stadt Bielefeld jedes Jahr durch die Vergnügungssteuer ein. Entrichtet wird sie bei allen gewerblichen, öffentlichen Tanzveranstaltungen. Betroffen sind davon also alle Diskotheken, aber auch Veranstalter, die etwa eine Party zur Feier in den 1. Mai ausrichten. Wie hoch die Vergnügungssteuer ausfällt, erläuterte Joachim Berens, richtet nach der Größe des Veranstaltungsortes, der Zahl der Besucher, dem Eintrittspreise und eventuelle Zugaben wie Verzehrbons. Auf Eintrittspreise beträgt sie 20 Prozent.
Feste Veranstalter wie Diskotheken müssen diese Angaben einmal im Monat an die Stadt übermitteln. Zu kontrollieren, ob diese auch richtig sind, sei bislang fast nicht möglich, so Berens. »Es gibt lediglich einen Außendienstmitarbeiter, der für alle Steuern zuständig ist, die durch die Stadt erhoben werden.« Außerdem sei er den meisten Betreibern und Veranstaltern bekannt, so dass eine Kontrolle nicht mehr funktioniere. Daraufhin hätten Mitarbeiter seines Amtes die Idee entwickelt, die städtischen Mitarbeiter als Freiwillige anzuwerben. Berens: »Auch Stadtkämmerer Franz-Josef Löseke hat sein Okay gegeben.«

Artikel vom 28.04.2005