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Stiller hat von
USA gelernt

Wincor Nixdorf wächst im Ausland

Von Hubertus Hartmann
Paderborn (WB). Karl-Heinz Stiller gilt als bodenständiger Westfale. Der 63-Jährige war Schützenkönig in seinem Heimatort Wewer und ist bekennender Paderborner. Aber »seine« Firma, die Wincor Nixdorf AG, lenkt der Vorstandsvorsitzende nach amerikanischen Prinzipien. Das hat der deutsche Manager von seinen ehemaligen Geldgebern aus den Vereinigten Staaten gelernt.

Das seit einem Jahr börsennotierte Unternehmen glänzt in schöner Regelmäßigkeit mit phantastischen Zahlen. Zur Halbzeit des Geschäftsjahres 2004/05 steigerte der Bankautomaten- und Kassenhersteller erneut seinen Umsatz um 14,7 Prozent auf 840,9 Millionen Euro, das operative Ergebnis sogar um 29,5 Prozent auf 62,8 Millionen. »Straffes Kostenmanagement« nennt Stiller als wichtigsten Erfolgsgaranten.
Auch neue Arbeitsplätze wurden im ersten Geschäftshalbjahr geschaffen - immerhin 481, was die Zahl der Konzernbeschäftigten auf 6595 wachsen ließ. Doch an genau dieser Stelle fällt ein Wermutstropfen in den Wein. In Deutschland (3336 Wincor-Mitarbeiter) entstanden nur 88 neue Stellen, am Standort Paderborn (2066 Beschäftigte) waren es 20.
Was zur Geschäftsentwicklung passt. Das Wachstum wird im Ausland erwirtschaftet. Während der Umsatz in Deutschland 12,6 Prozent unter dem Vorjahreswert blieb, stieg er im »restlichen« Europa um 31,3, in Amerika um 28,8 und in der Region Asien/Pazifik/Afrika um 18,6 Prozent.
560 Mitarbeiter beschäftigt Wincor Nixdorf in Singapur, 248 in Frankreich, 522 in Großbritannien und 259 in China.
Der Konzern wächst global, in der Heimat ficht Karl-Heinz Stiller einen ideologischen Kampf mit der Gewerkschaft aus. Von den deutschen Wincor-Mitarbeitern verlangt er Rückkehr zur 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich. Gleichzeitig hat das Unternehmen eine eigene Leiharbeitsagentur gegründet. Zeitarbeiter, die dann an Wincor ausgeliehen werden, verdienen etwa 25 Prozent weniger als ihre nach dem Metalltarif beschäftigten Kollegen.
Betriebsratsvorsitzender Wilhelm Rose spricht von einem »arbeitsrechtlichen Alptraum«, IG-Metall-Bevollmächtigter Volker Kotnig nennt die Agentur »Ausbeutermodell der Zukunft«. Bislang habe die Servicegesellschaft 36 Leute eingestellt, sagt Unternehmenssprecher Bruck. Es gehe um rechtzeitige Zukunftssicherung. Mit den geltenden Metall-Tarifverträgen könne Wincor Nixdorf nicht weiter arbeiten. »Wenn wir den Standort Deutschland erhalten wollen, müssen wir die Kosten senken, um die Arbeitsplätze wettbewerbsfähiger zu machen.«
Die Finanzinvestoren, die 1999 Siemens Nixdorf kauften und Wincor Nixdorf aus der Taufe hoben, haben sich vom größten Teil ihrer Anteile getrennt. Ihre Restrukturierungsphilosophie hält Stiller offenbar erfolgreich bei.

Artikel vom 28.04.2005