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Sie gab großen Gefühlen ein Gesicht

Das »Seelchen« wurde in den 50er-Jahren zum Weltstar - aber Krisen im Privatleben

Von Ingo Steinsdörfer
Preitenegg (WB). Als sie im November 2002 gemeinsam mit ihrem fünf Jahre jüngeren Bruder Maximilian noch einmal vor ein großes Publikum trat, in Berlin ein »Bambi« für ihr Lebenswerk entgegennahm, da ahnte jeder, der sie sah: Maria Schell nimmt Abschied.

Lange war sie zuvor nicht mehr öffentlich aufgetreten. Und wenn es Neues von der Schauspielerin gab, die einstmals zu den bekanntesten Leinwandstars in Deutschland und aus Deutschland zählte, dann waren es zumeist Berichte über zunehmende gesundheitliche, vor allem psychische Probleme.
Liebevoll und zugleich beruhigend hielt ihr nicht minder berühmter Bruder ihr bei diesem letzten großen Auftritt, den sie sitzend, auf einem thronartigen Sessel absolvierte, die Hand. Mit jenen Tränen in den Augen, denen sie einst ihren Ruf als »Seelchen« verdankte, nahm sie die Ovationen des Publikums entgegen. Wusste sie noch, wie ihr geschah? Mit dem Film »Meine Schwester Maria« hatte Maximilian Schell sie Monate zuvor einfühlsam portraitiert - und dokumentiert, dass der Weltstar von einst so ganz von dieser Welt nicht mehr war.
Nun ist sie gestorben, mit 79 Jahren, oben auf ihrer Alm in der Gemeinde Preitenegg in Kärnten, die sie von der Mutter geerbt hatte. Längere Zeit schon war sie im Krankenhaus wegen einer Lungenentzündung behandelt worden. Als sie vor einer Woche in die Berge zurück durfte, galt die Krise als überwunden. Am Dienstagmorgen, so wurde gestern bekannt, erlag sie einem Herzversagen.
Ihr »Lächeln unter Tränen«, das Millionen von Kinobesuchern in den 50er Jahren zu Tränen rührte, machte sie zum Publikumsliebling. Sie gab Gefühlen ein Gesicht - und war auch im privaten Leben ein Spielball ihrer und anderer Menschen Gefühle. Zwei Ehen scheiterten - ihre erste mit dem Regisseur Horst Hächler, aus der Sohn Oliver stammt, hielt nur wenige Jahre. Mit dem österreichischen Schauspieler und Regisseur Veit Relin war sie 22 Jahre verheiratet. Mit ihm bekam sie ihre Tochter Marie-Theres. Trost suchte sie in Krisenzeiten im Alkohol und in unvernünftigen Einkäufen, die sie bis an den Rand des Ruins brachten.
Dabei wollte Maria Schell nichts anderes als Harmonie im Leben. Die heute 30 Jahre alte Schauspielerin Susanna Wellenbrink, die im Alter von neun bis 14 Jahren Maria Schells TV-Serientochter in »Die glückliche Familie« spielte: »Maria Schell war die Mutter schlechthin. Am liebsten hätte sie uns alle adoptiert. Sie wollte wirklich immer Gutes tun und hat alles dafür getan - manchmal über ihre Grenzen hinaus. Nach außen hin war sie wie ein großer, starker Baum, doch innen drin war sie ein hoch sensibler und liebender Mensch.«
An der Seite von Dieter Borsche, mit dem Maria Schell eine Liebe verband, »die uns beiden sehr weh getan hat«, wie sie einmal sagte, stieg sie in 50er-Jahre-Streifen wie »Dr. Holl« und »Es kommt ein Tag« rasch zum Star auf. Ihre Filmpartner waren O.W. Fischer, Curd Jürgens. Nicht weniger als acht Bambis trugen ihr Hauptrollen in Filmen wie »Bis wir uns wiedersehen« und »Tagebuch einer Verliebten« ein. Für ihre Rolle der Kinderärztin in Helmut Käutners Anti-Kriegsfilm »Die letzte Brücke« wurde sie 1954 in Cannes als beste Schauspielerin geehrt. Die Folge waren internationale Angebote. Sie spielte mit Yul Brynner, Marcello Mastroianni, Marlon Brando, Gary Cooper.
Auch im Theater machte Schell international von sich reden und spielte über Monate am Broadway. Bei den Salzburger Festspielen war sie 1955 an der Seite von Will Quadflieg in Schillers Drama »Kabale und Liebe« präsent. Die 80er-Jahre sahen sie vor allem in Fernseh-Produktionen: Maria Schell spielte im »Tatort«-Krimi, fuhr auf dem »Traumschiff« und drehte besagte Serie »Die glückliche Familie« mit Siegfried Rauch und Maria Furtwängler.
Doch das über lange Phasen glücklose Privatleben machte dem einstigen Hollywood-Star zunehmend zu schaffen. In tiefer Depression versuchte sie sich 1991 mit Tabletten das Leben zu nehmen. Lange dauerte der Aufstieg aus diesem Tal, bei dem ihr Bruder Maximilian sie an die Hand nahm.

Artikel vom 28.04.2005