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»Aus Größenwahn wird der Karren in den Dreck gezogen«

Heute im Gespräch: Trigema-Eigentümer Wolfgang Grup, Burladingen

Burladingen (WB). »Unerträglich« nennt es Wolfgang Grupp, wenn die, die ein Unternehmen abgewirtschaftet haben, sich ihren Abschied auch noch vergolden lassen. Mit ihm sprach Bernhard Hertlein.

Franz Müntefering hat im NRW-Wahlkampf eine Diskussion über den Zustand des deutschen Unternehmertums angestoßen. Können Sie seine Kritik an den Ackermanns und Essers dieser Republik nachvollziehen?Grupp: Ja, sicher. Im Kern trifft sie genau das, was ich schon seit Jahren an deutschen Unternehmerkollegen kritisiere. Sie treffen Entscheidungen über Millionen und Milliarden Euro und über Hunderte oder Tausende von Arbeitsplätzen. Aber wenn sich Entscheidungen als falsch erweisen, sind sie nicht bereit, die Verantwortung dafür zu übernehmen. Die Folgen ihrer Fehler lassen sie andere tragen, vor allem ihre Mitarbeiter und natürlich die Steuerzahler. Aus Größenwahn ziehen sie den Karren in den Dreck. Und bevor andere ihn herausziehen, lassen Sie sich ihren Abschied vergolden. Ich finde das unerträglich.

    Wen meinen Sie konkret?Grupp: Gerade jetzt wieder den Bauunternehmer Ignaz Walter, KarstadtQuelle... Die Liste ist lang. Klaus Esser würde ich allerdings nicht dazu rechnen. Er hat als Angestellter nur genommen, was andere im Aufsichtsrat ihm verantwortungslos hingehalten haben.

Sonst reagieren Unternehmer immer geschlossen gegen Schelte von Politikern . . .Grupp: BDI-Chef Jürgen Thumann hat Müntefering zu meiner großen Freude sehr differenziert geantwortet. Das hat mich gefreut. Es gibt also noch andere Unternehmer, die nachdenken. Die Verantwortung muss zurück in die Wirtschaft. Der Wiederaufbau nach dem Krieg wurden von großen Unternehmerpersönlichkeiten gestaltet, die nicht nach dem Staat gerufen haben, wenn ihr Betrieb mal in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet. Zu diesem Geist müssen wir zurückfinden. Dazu muss allerdings auch der Staat seinen Teil beitragen, indem er die, die persönlich die Verantwortung tragen und mit ihren Bezügen haften, steuerlich besser stellt als jene, die keine Verantwortung übernehmen und trotzdem mit Selbstverständlichkeit kassieren.

Was machen Sie anders als andere Unternehmer?Grupp: Trigema produziert ausschließlich in Deutschland. Für mich steht seit mehr als 30 Jahren die Sicherung der hiesigen Arbeitsplätze an erster Stelle.

Andere gerade in Ihrer Branche, der Textilindustrie, sagen, das sei wegen der hohen Löhne und Lohnnebenkosten nicht möglich.Grupp: Fragen Sie doch mal die Bekleidungshersteller in Ostwestfalen-Lippe, ob sie dadurch, dass sie heute im Ausland produzieren lassen, reich geworden sind. Warum kostet ein Polohemd, das angeblich so billig in Asien hergestellt wurde, in den Geschäften noch 69 Euro? Unser Polohemd aus deutscher Produktion kostet im Handel 39 Euro.
Die Höhe der Löhne ist nur ein Faktor in der Wirtschaftlichkeitsrechnung. Hinzu kommen die Transportkosten, die Ausgaben für den viel größeren Verwaltungsaufwand. Trigema beschäftigt 1200 Mitarbeiter. Wie viele, schätzen Sie, sind davon in der Verwaltung?

10 Prozent? 20 Prozent?Grupp: Nicht mehr als 32 Personen. Und diese haben kurze Wege, ein gläsernes Büro. Mein Credo lautet: Das Herz des Unternehmens ist die Produktion. Sie muss dort sein, wo der Unternehmer ist. Das bin ich schon der Qualität der Ware schuldig. Welche Folgen ein Mangel an Qualitätsbewusstsein nach sich zieht, sieht man jetzt an der Autoindustrie, die 1,3 Millionen Fahrzeuge in die Werkstatt zurückrufen muss. Die Kosten hätte man besser vorher in die Mitarbeiter investiert.

Gibt es weitere Vorteile einer Fertigung in Deutschland?Grupp: Wenn sich das Wetter ändert, kann ich die Produktion sofort umstellen. Notfalls produzieren wir alle Artikel innerhalb von 48 Stunden vom Garn bis zum Fertigprodukt. Das kann jemand, der im Ausland produziert, sicherlich nicht.

Aber diese Vorteile sind doch auch anderen Unternehmern bekannt.Grupp: Wer einmal die Weichen falsch gestellt hat, kommt schwer wieder zurück. Von 1982 bis 1987 hat Trigema auch an die Firma Aldi verkauft, mit gutem Erfolg. Zum Schluss machten wir jährlich einen Umsatz von 24 Millionen D-Mark. Doch dann hat der Einkäufer bei Aldi gewechselt. Ich sollte nicht mehr unter dem Namen Trigema, sondern die gleiche Ware 30 Prozent billiger und unter der Aldi-Marke liefern. Ich habe abgelehnt - trotz des Risikos für den Betrieb. Handelsmarken sind austauschbar. Mein Nachfolger bei Aldi musste den Preis immer weiter senken. Als er keine Chance mehr sah, ging er ins Ausland. Aber die Wunderheilung, die er sich davon versprach, ist nicht eingetreten. Heute gibt es dieses Unternehmen nicht mehr.

Mit 1200 Mitarbeitern und eigenen Verkaufsgeschäften sind sie nicht mehr ganz klein. Ein Mittelständler ist möglicherweise leichter erpressbar.Grupp: Es gibt einige andere in der Textilindustrie, die sich ebenso gut behaupten. Es ist eine Schande, dass sich Unternehmer, die ins Ausland verlagern, anschließend noch über die schlechte Konjunktur in Deutschland beklagen. Die Mitarbeiter brauchen Sicherheit, dass die Unternehmensleitung zum Standort und zur Belegschaft steht. Dann kaufen sie auch, und der Binnenmarkt, den alle Branchen an erster Stelle brauchen, kommt wieder in Schwung.

Artikel vom 30.04.2005