07.05.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

In der Ruhe liegt die Kraft

Bernd Kollmetz ist evangelischer Pfarrer der Johanniter Ordenshäuser in Bad Oeynhausen.

Der Tod des Papstes Johannes Pauls II. und die Reaktionen rücken für beide Kirchen die Standortbestimmung in unserer aufgeklärten Gesellschaft verstärkt ins Bewusstsein. Nachfolger Benedikt XVI. soll Auskunft geben über den Kurs, den die Kirche in der modernen Zeit zu fahren gedenkt. Die Beantwortung der Frage vollzieht sich im Spannungsbogen zwischen konservativer und fortschrittlicher Grundausrichtung. Und jede Seite hofft, dass ihre Position durch die Wahl gestärkt wird.
Es wundert nicht, dass in unseren Breitengraden stärker die Erwartung aufkommt, der Nachfolger Petri möge auf die Anforderungen der Moderne entsprechend angepasste Antworten geben. Sicherlich nachvollziehbar, jedoch weiterführend? Wenn wir die Lebenswirklichkeit betrachten, so fällt doch auf, dass sich ein geistiges und geistliches Vakuum im christlichen Abendland gebildet hat. Und man muss nicht Kulturpessimist sein, um zu ahnen, dass wir in der Zielausrichtung des eigenen und des gesellschaftlichen Lebens orientierungslos im Meer der Zeit dahinschippern. Oder um es mit Shakespeare auszudrücken: »Nichts ist gewonnen, alles ist dahin, steh'n wir am Ziel mit unzufriedenem Sinn.«
Auch der moderne Mensch scheint immerhin noch eine Ahnung zu besitzen, dass die Frage nach dem Sinn des Lebens nicht durch eine Institution - weder staatlich noch kirchlich - beantwortet werden kann. Denn Institutionen sind nur auf Zeit, auf Begrenztheit angelegt wie der Mensch selbst. Das hat Johannes Paul II. mit seinem Leben eindrücklich angezeigt.
Und so bohrt sich die Frage in das Herz: Was ist das Bleibende? Auf diese Frage gibt der Glaube seine Antwort. Das lebendige Wort Gottes in Jesus Christus geht mit durch die Zeit als Wort des Vertrauens und der Hoffnung. Dieses lebendige Wort trägt uns an den vielen Schwellen des Lebens, die Veränderungen abverlangen. Aber eben nicht ziellos, sondern auf die Gewissheit hin, dass dieser Glaube vitalisierend den Horizont für das Neue öffnet.
Übrigens: Es gibt Wichtigeres im Leben, als beständig dessen Geschwindigkeit durch bloße Forderung nach Erneuerungen zu erhöhen! Oder wie sagt der Volksmund: In der Ruhe liegt die Kraft. Bernd Kollmetz

Artikel vom 07.05.2005