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»Frau mit der Maske« will keine Rache

Ehemann zündet sein Opfer mit Spiritus an - Staatsanwalt spricht von versuchtem Mord

Von Christian Althoff
Paderborn (WB). Als der Angeklagte in den Gerichtssaal geführt wird, schlägt Danuta U. (43) die verbrannten Hände vor ihr vermummtes Gesicht und schluchzt. Es ist ihr Ehemann, der sich schweigend auf die Anklagebank setzt. Norbert U. (39) hatte seine Frau im November in ihrem Bett mit Spiritus übergossen und angezündet. Seit gestern steht er wegen versuchten Mordes vor dem Landgericht Paderborn.
Schlosser Norbert U. droht eine mehrjährige Gefängnisstrafe.

Der Weg ins Gericht ist Danuta U. schwergefallen. Immer wieder haben sich Menschen auf der Straße nach der Frau mit der Maske umgedreht und sie angestarrt. Nun sitzt sie im Zuschauerraum des Schwurgerichtssaals und wird von ihren Kindern Patrizia (13) und Wojciech (25) gestützt.
Regungslos hört ihr Ehemann zu, als Staatsanwalt Ralph Vetter die Anklage verliest und die schweren Verletzungen der Frau auflistet. Vetter berichtet von Verbrennungen an Kopf, Hals, Brust, Hüfte, Oberschenkel und Gesäß, Ärzte werden später im Prozess ergänzen, dass auch die Lunge und das Herz geschädigt worden sind.
»Ich war betrunken, ich kann mich an die Tatnacht nicht erinnern«, antwortet Norbert U. mit leiser Stimme auf die Fragen des Vorsitzenden Richters Bernd Emminghaus und lässt seinen Strafverteidiger Dr. Detlev Binder eine Erklärung verlesen. Von großem Leid ist da die Rede, das er über seine Frau gebracht habe, und von schweren Schuldgefühlen vor allem gegenüber seiner Tochter, an der er so sehr hänge. Nach der Haft werde er alles tun, um für seine Familie aufzukommen, versichert der Angeklagte. Der erste Schritt ist getan: Wenn die Ehe am morgigen Donnerstag geschieden wird, soll die gemeinsame Eigentumswohnung am Stadtrand von Paderborn auf Danuta U. überschrieben werden.
Ein Justizwachtmeister führt schließlich die schwerverletzte Ehefrau zum Zeugenstand. Zunächst berichtet sie von ihrer Ehe. Dass sie ihren aus Polen stammenden Mann 1989 zufällig an einer Bushaltestelle in Paderborn kennengelernt hatte und sich kaum mit ihm verständigen konnte, weil sie erst acht Monate zuvor aus Polen gekommen war: »Wir haben englisch gesprochen, weil wir nicht ahnten, dass wir aus dem selben Land stammten«, erzählt die Frau, und die Erinnerung lässt sie für einen Moment schmunzeln. »1990 haben wir geheiratet, und ich haben meinen Sohn mit in die Ehe gebracht«, sagt die Zeugin.
Dann fragt der Richter die Frau nach ihrer Maske. »Bis Dezember muss ich die noch tragen«, antwortet die 43-Jährige. Die Maske und die Handschuhe und die Spezialweste und eine spezielle lange Unterhose. Die medizinischen Kleidungsstücke sind extrem eng geschnitten, üben einen ständigen Druck aus und sollen verhindern, dass die ungezählten Brandnarben am Körper der Frau wachsen. »Sind Sie zuversichtlich, wieder ganz gesund zu werden?«, fragt der Richter. Danuta U. nickt - und verschweigt, dass Ärzte ihr geraten haben, für den Rest ihres Lebens die Sonne zu meiden, weil ihr sonst Hautkrebs droht.
Danuta U. schluckt Tabletten, um die Schmerzen zu betäuben und die Angst zu bekämpfen, die sie nachts überfällt. Sie hat fünf Monate warten müssen, um endlich bei einem Psychotherapeuten einen ersten Termin zu bekommen, und wacht nachts schwitzend und in Panik auf, weil ihr die Maske die Luft zu nehmen scheint. Doch alles das behält die Frau im Zeugenstand für sich. Sie will keine Rache nehmen. Mehr noch: »Ich glaube nicht, dass Norbert mich umbringen wollte«, sagt sie. »Der wollte mir bestimmt nur einen Schrecken einjagen. . .«
Der Staatsanwalt ist jedoch überzeugt, dass Norbert U. seine Frau in Tötungsabsicht angezündet hat, weil sie sich nach 14 Ehejahren wegen seines Alkoholkonsums von ihm scheiden lassen wollte.
Das Urteil wird am 25. Mai gesprochen.

Artikel vom 27.04.2005