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Schau wäre ohne Frau
in Weiß unvollständig

Ausstellung in Osnabrück zeigt Litfaß-Säulen-Plakate

Von Maria Panagiotidou
Osnabrück (dpa). Die freundliche blonde Dame in Weiß strahlt mit Waschmittelpäckchen in der Hand vor grünem Hintergrund. Am Strand rauchen vier Freundinnen - alle mit Bubikopf und stilechtem Badeanzug aus den 20er Jahren - »Casanova-Zigaretten«.
Drei von den etwa 100 alten Litfaßsäulen-Plakaten, die in der Ausstellung im Museum Industriekultur in Osnabrück zu sehen sind.

In der üppigen Natur genießt ein junges Paar eng umschlungen die Aussicht auf seinen Heinkel, einen (Kult-)Motorroller. Zum ersten Mal zeigt das Museum Industriekultur Osnabrück in einer Ausstellung etwa 100 Plakate für Litfaßsäulen von 1870 bis heute. Die Schau »Rundum Neuigkeiten. 150 Jahre Litfaßsäule« ist bis zum 14. August geöffnet.
Zu sehen sind auch politische Aushänge wie etwa ein Plakat aus der Zeit des Januarstreiks von 1918 und ein großformatiges Porträt von Adolf Hitler aus dem Jahr der Reichspräsidentenwahl von 1932. »Mit unserer Ausstellung wollen wir zeigen, dass in Plakaten Geschichten und Geschichte aufgehoben sind«, sagte Museumsdirektor Rolf Spilker. Vor gut 150 Jahren hatte der Buchdrucker Ernst Theodor Amandus Litfaß im Dezember 1854 die erste Annoncier-Säule in Berlin aufgestellt. »Wir sehen das Plakat als ein Tagebuch von damals und schlagen mit unserer Schau einzelne Seiten auf«, sagte Spilker.
Die Ausstellung illustriert neben der Vielfalt der Plakate auch deren Entwicklung von der oft überladenen Allegorie mit mehreren Erzählsträngen hin zur modernen Lifestyle-Werbung mit klarer, emotionaler Bildaussage und eben plakativer Wirkung. »Eine Ikone gelungener Markenwerbung ist natürlich die Persil-Frau von 1922«, sagte Spilker. »Ohne sie wäre die Schau, obwohl sie nur zeitliche Ausschnitte zeigen kann, unvollständig gewesen.« Das in der Ausstellung gezeigte Persil-Plakat aus dem Jahr 1933 sei mit einer Länge von 2,36 Meter und einer Breite von 85 Zentimetern eigens für das Bekleben von Litfaßsäulen entworfen worden.
»Litfaßsäulen waren besonders früher das Auskunftsmedium par excellence«, erklärte Museumsdirektor Spilker. Die Menschen hätten auf der Suche nach Neuigkeiten gezielt die »städtischen Möbel« angesteuert. Und wie sollte es anders sein: Natürlich wurde auch der erste Einsatz von Litfaßsäulen in Berlin an eben solchen annonciert. »Besonders schön waren Litfaßsäulen in der Funktion eines Brunnens oder eines Pissoirs, die sich aber nicht durchsetzten«, sagte Spilker.
Neben Werbeanzeigen für Markenartikel werden auch die damals üblichen wortlastigen schwarz-weiß Ankündigungen zu Aufführungen im Theater wie etwa Friedrich Schillers Drama »Die Räuber« von 1899 oder zur nächsten Vorstellung des »Circus Hagenbeck« im Jahr 1887 gezeigt. In starkem Kontrast dazu stehen Filmhochglanzaushänge von »Der Hauptmann von Köpenick« (1956) mit Heinz Rühmann und »Wie angelt man sich einen Millionär« (1954) mit Marilyn Monroe.
Was die Ausstellung ausmacht, hat nach Spilker 1912 bereits der Plakatkünstler Julius Klinger formuliert: »Schließlich und endlich wissen wir, dass wir nicht Ewigkeitswerte, sondern nur anspruchslose Arbeiten schaffen, die naturgemäß der Mode des Tages unterworfen sind. Aber eine bescheidene Hoffnung hegen wir: Dass unsere Arbeiten vielleicht einst in 50 oder 100 Jahren starke Kulturdokumente sein werden.« www.osnabrueck-net.de/Kultur/industriemuseum.html

Artikel vom 27.04.2005