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Wenig Vertrauen in Versprechungen

Diskussion über Studiengebühren - Sogar in China muss gezahlt werden

Bielefeld (sas). Studiengebühren, verkündet Ministerpräsident Peer Steinbrück derzeit von den Wahlplakaten, werde es in Nordrhein-Westfalen für das Erststudium nicht geben. »Gibt es doch längst«, hält Stefan Bröhl, Studienkontenberater des AStA, dem entgegen.

Und besonderen Glauben schenken weder er noch seine Kollegen den Versprechungen der Politiker. Grund genug, die Studiengebühren, deren Einführung das Bundesverfassungsgericht in das Ermessen der Länder gestellt hat, im Rahmen einer Podiumsdiskussion in der Uni-Halle zum Thema zu machen.
Veranstalter waren neben dem Allgemeinen Studierendenausschuss der Internationale Studierendenrat der Uni Bielefeld (ISR) und das Aktionsbündnis gegen Studiengebühren, geladene Diskussionsteilnehmer waren die hochschulpolitischen Sprecher der Parteien im Düsseldorfer Landtag - Helga Gießelmann (SPD), Dr. Michael Brinkmeier (CDU), Dr. Ruth Seidl (Grüne) sowie Joachim Schultz-Tornau (FDP) -, Dr. Sebastian Fohrbeck vom Deutschen Akademischen Austauschdienst, Stefan Bröhl und Amiran Gabunia aus Georgien (ISR).
Gießelmann und Seidl bekräftigten die Position der Landesregierung (gebührenfreies Erststudium), Schultz-Tornau war sich mit Bröhl einig, dass es Studiengebühren längst gebe: eben für Langzeitstudierende. »Das sind immerhin 30 Prozent aller Studierenden.« Der Universität Bielefeld bescheren sie 2 Millionen Euro im Jahr. Brinkmeier hingegen plädierte erwartungsgemäß für Studiengebühren (und musste mit Buh-Rufen leben), weil die jährlich fünf Milliarden Euro, die das Land für seine Hochschulen zur Verfügung stelle, schlicht nicht mehr hinreichend seien. »Die Hochschulen sollen sagen, wieviel sie nehmen wollen, die Gebühren sollten dann bei den einzelnen Hochschulen bleiben.« Voraussetzung dafür, hatte im Vorfeld schon Ingo Bowitz vom AStA-Vorstand betont, sei allerdings ein Stipendiensystem - das es noch nicht gibt.
Amiran Gabunia erwartet von Studiengebühren einen Abschreckungseffekt für Ausländer. »Es wird sich herumsprechen, wenn das Studium in Deutschland kostet und viele werden dann gleich in die USA oder nach England gehen.« Dem hielt DAAD-Sprecher Fohrbeck entgegen, dass Deutschland zum einen nach diesen Ländern das drittgrößte Zielland sei und zudem in England 4500 Euro berappt werden müssen und ein Studium in den USA im Schnitt 14 000 Euro im Jahr kostet - ganz andere Dimensionen.
Zu bedenken gab der Fachmann, dass ausländische Studierende zum Teil bereits jetzt von Studiengebühren betroffen seien: »Wer in seinem Heimatland einen ersten Abschluss erworben hat - was für die Chinesen zum Beispiel Voraussetzung für ein Studium in Deutschland ist - muss hier wie für ein Zweitstudium zahlen.« 650 Euro sind dann pro Semester fällig. Fohrbeck ist der Meinung, dass es für junge Ausländer soziale Regelungen geben wird. »Kreditmodell greifen bei ihnen nicht.« In Österreich zum Beispiel sind Studierende aus den ärmsten Ländern von Gebühren befreit - während Großbritannien und Australien von Ausländern höhere Studiengelder verlangen als von Inländern. »Interessant ist, dass die Bildungsbeteiligung durch Studiengebühren nicht geringer wird«, weiß er aus Beobachtungen. Ein Abschreckungseffekt sei nicht zu beobachten. Studiengebühren, verriet er, erhebt sogar die Volksrepublik China. Für den AStA ist das unerheblich: »Wir werden einen strikten Kurs dagegen fahren und jedem, der sie einführen will, Steine in den Weg legen«, sagt Ingo Bowitz.

Artikel vom 29.04.2005