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Schlag gegen Billigjob-Mafia

Bei bundesweiter Razzia auch Westfleisch-Schlachthof durchsucht

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bielefeld (WB). Bei einer der größten bundesweiten Razzien gegen Wirtschaftskriminalität sind gestern auch der Westfleisch-Schlachthof in Hamm- Uentrop und das Unternehmen Barfuss in Oer-Erkenschwick durchsucht worden. Barfuss gehört zur Westfleisch-Gruppe mit Sitz in Münster.

Die Razzia habe gestern Morgen zeitgleich in Deutschland, Österreich und Ungarn stattgefunden, teilte die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls in Köln mit. Bei den Durchsuchungen und Kontrollen nach dem Schwarzarbeiterbekämpfungsgesetz in 134 Objekten seien fünf Hauptbeschuldigte verhaftet und zwei Tatverdächtige vorläufig festgenommen worden, sagte FKS-Sprecher Heinz Michael Horst dieser Zeitung. Ihnen werde vorgeworfen, im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gewerbs- und bandenmäßig mindestens 1500 ungarische Arbeitnehmer in die Bundesrepublik eingeschleust und hier als Billigarbeitskräfte beschäftigt zu haben.
Nach den Erkenntnissen der Sonderkommission »Bunda« sollen diese Arbeitnehmer insbesondere in der Fleischbranche sowie der Metallverarbeitung und auf Baustellen zu Dumpingpreisen beschäftigt gewesen sein und ein Umsatzvolumen von mindestens 100 Millionen Euro unrechtmäßig erwirtschaftet haben. Horst: »Es handelt sich um einen der größten Verdachtsfälle von Wirtschaftskriminalität im Werkvertragsbereich.« Nach Schätzungen der Ermittler sollen 20 bis zu 30 Millionen Euro an Steuern und Sozialversicherungsabgaben hinterzogen worden sein. Bei der Razzia sei Vermögen in zweistelligen Millionenhöhe gesichert worden. Einer der Hauptverdächtigen habe bereits ein umfangreiches Geständnis abgelegt, sagte Horst. Seine Arbeitnehmer hätten einen Stundenlohn zwischen fünf und sechs Euro erhalten, obwohl in diesem Fall in der Baubranche 12,47 Euro als Mindestlohn vorgeschrieben seien.
In den Westfleisch-Firmen seien gestern die Beschäftigten vom Bielefelder Zoll kontrolliert worden. Die ungarischen Scheinfirmen hätten den Schlachthöfen Arbeitnehmer illegal und zu Dumpinglöhnen überlassen, sagte Friedrich Apostel von der in Nordrhein-Westfalen federführenden Staatsanwaltschaft in Bonn dieser Zeitung. Jetzt werde geprüft ob Westfleisch von der kriminellen Machenschaften gewusst habe.
Westfleisch (knapp 1,5 Milliarden Umsatz) gilt als Unternehmen der westfälisch-lippischen Bauern und zählt mit einer Jahreskapazität von mehr als 750 000 Tonnen zu den Top fünf in Europa für Rind- und Schweinefleisch.
Von der Staatsanwaltschaft Bonn werde insgesamt gegen neun Beschuldigte von zwei ungarischen Scheinfirmen ermittelt, die ihren zentralen Sitz in Euskirchen bei Köln hätten, sagte Apostel. Bei der Razzia seien drei Haftbefehle vollstreckt worden.
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Artikel vom 27.04.2005