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1500 Ungarn eingeschleust

Gewerkschaft: Werkverträge klarer fassen und Mindestlohn einführen

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bielefeld (WB). Zur Bekämpfung der Schwarzarbeit reichen nach Angaben der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) verschärfte Kontrollen allein nicht aus. Illegale Beschäftigung von ausländischen Arbeitnehmern sei schwer zu beweisen, sagte NGG-Sekretär Markus Dieterich gestern dieser Zeitung.

Die Werkverträge müssten klarer gefasst werden. Das von der Bundesregierung geplante Arbeitnehmerentsendegesetz reiche ebenfalls nicht aus. Mindestlöhne von etwa 1500 Euro im Monat müssten gesetzlich vorgeschrieben werden. Wenn eine gesetzliche Festschreibung nicht möglich sei, müsse es branchenspezifische Mindestlöhne geben. Notwendig sei ferner eine elektronische Zeiterfassung, damit Behörden sicherer kontrollieren könnten.
Gestern war der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls (Oberfinanzdirektion Köln) ein schwerer Schlag gegen die organisierte Kriminalität im Hinblick auf illegale Arbeitnehmerüberlassung und Lohndumping gelungen. Bei einer bundesweiten Razzia gegen Schwarzarbeit haben 700 Fahnder der FKS Durchsuchungen in 58 Städten durchgeführt. Zwei von den Hauptbeschuldigten, Verantwortliche einer ungarischen Scheinfirma, waren in München nach einer Verfolgungsfahrt durch eine Spezialeinheit des Zollkriminalamtes gestellt worden. Die Spezialeinheit sicherte auch die Durchsuchung im Münchner Schlachthof. Allein in diesem Schlachthof waren nach Angaben der FKS rund 100 ungarische Arbeitskräfte illegal beschäftigt.
Zeitgleich waren gestern in Österreich von der Polizei ein Objekt und in Ungarn weitere 20 Objekte von der ungarischen Finanzpolizei durchsucht worden. Den Verdächtigen der ungarischen Scheinfirmen werde neben der illegalen Arbeitnehmerüberlassung auch Lohnwucher und Menschenhandel zur Ausbeutung ausländischer Arbeitnehmer vorgeworfen, sagte FKS-Sprecher Dr. Heinz Michael Horst dieser Zeitung.
Die Straftaten und Ordnungswidrigkeiten spielten sich nach Angaben des Zolls im Zusammenhang mit so genannten 500 Werkverträgen ab, die von angeblichen ungarischen Firmen in Deutschland mit deutschen Unternehmen abgewickelt wurden. Im Rahmen solcher Werkverträge dürfen ausländische Unternehmen ihre Arbeitnehmer unter bestimmten Bedingungen zur Abwicklung eines konkreten Vertrags aus dem Heimatland - wie Ungarn - vorübergehend nach Deutschland entsenden. Hier dürfen diese dann Arbeiten im Rahmen des Vertrages ausführen. Nach Erfüllung des Werkvertrags müssen die ausländischen Arbeitnehmer wieder zu ihren Arbeitgebern ins Heimatland zurückkehren.
Nach den Ermittlungen der Zoll-Sonderkommission »Bunda« handelt es sich bei den angeblich entsendenden ungarischen Unternehmen aber um Scheinfirmen, die in Ungarn nach den bisherigen Erkenntnissen keine Geschäftstätigkeit ausüben, sondern ungarische Arbeitnehmer nur zum Zweck des Arbeitens in Deutschland anwerben. Mindestens 1500 ungarische Arbeitnehmer seien seit dem Jahre 2000 so illegal nach Deutschland eingeschleust und hier beschäftigt worden, sagte FKS-Sprecher Horst.
Es seien auch deutsche Arbeitnehmer geschädigt worden. Ihre Arbeitsplätze seien von der Ungarn übernommen worden. Die Ungarn seien in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen teilweise erheblich unter dem in Deutschland üblichen Lohnniveau der jeweiligen Branche bezahlt worden. In zahlreichen Fällen habe es so wenig Geld gegeben, dass der dringend Tatverdacht des Lohnwuchers vorliege, betonte Horst.

Artikel vom 27.04.2005