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Ein »Glanzstück« für Senioren

Rotunde am Kesselbrink für Betreutes Wohnen und Pflege bei Bedarf

Bielefeld (bp). Pflegeheime im klassischen Sinne sind nach Überzeugung von Architekt Klemens Gabrysch »Auslaufmodelle«. In Übereinstimmung mit der Novelle des Landespflegegesetzes von 2003 arbeitet Gabrysch seit zwei Jahren an einer neuen Art des »Service-Wohnens« für Senioren: an einer Pflegeeinrichtung mit 84 Plätzen und 47 Wohnungen (so genanntes Betreutes Wohnen) auf dem ehemaligen Grundstück des Hallenbades am Kesselbrink. Gabrysch hat ein Solitärbauwerk geplant: eine achtgeschossige Rotunde.

Auftraggeber ist die Bielefelder Projektentwicklungsgesellschaft S + R Bauträger GmbH; das Investitionsvolumen würde bei 20 Millionen Euro liegen. Klemens Gabrysch hat seine Vorstellungen bereits nicht-öffentlich in fünf politischen Gremien vorgestellt (Beirat für Stadtgestaltung, Seniorenrat, Bezirksvertretung Mitte, Sozial- und Gesundheitsausschuss, Umwelt- und Stadtentwicklungsausschuss). Die Resonanz war durchweg positiv, »vor allem im Seniorenrat«.
Gegen die ungewöhnliche Architektur gab es grundsätzlich keine Einwände. Allerdings, so Gabrysch, sei die »Stimmung in den letzten Tagen ins Negative gekippt«. Kritik kam von Günter Garbrecht, dem sozialpolitischen Sprecher der SPD im Bielefelder Rat und Mitglied des Sozialausschusses der NRW-Landtages. Garbrecht meinte, man wolle den Stadtbezirk Mitte »nicht zum Alten-Ghetto« machen.
Angelika Gemkow, CDU-Landtagsabgeordnete und Vorsitzende der Enquête-Kommission »Situation und Zukunft der Pflege«, ärgert sich über solche Äußerungen: »Die Menschen wollen und sollen in ihrem Stadtviertel wohnen bleiben.« In Mitte seien wohnortnahe altengerechte Wohn- und Hilfe-Angebote nötig: »Die Menschen sollen sich wohlfühlen, gut leben und bei Bedarf betreut werden.« Angelika Gemkow weist darauf hin, dass die Zahl pflegebedürftiger Menschen in den nächsten 15 Jahren in Bielefeld um 13 Prozent steigen werde.
Unter anderem die BGW hat das schon längst erkannt: Sie setzt auf Seniorenservice-Wohnangebote in jedem Stadtbezirk bis 2010. Wohnungen werden angemietet, Service- und Pflegeleistungen dazu »gekauft« und auch nur dann bezahlt. Das gilt inzwischen bundesweit als Modell.
Ähnlich sieht das Nutzungskonzept für die Rotunde aus, die von außen wirken soll »wie ein gläserner Glanzpunkt«, so Architekt Klemens Gabrysch. Im Erdgeschoss sollen Angebote untergebracht werden, die die Menschen im gesamten Viertel nutzen können. Der Architekt: »Das kann von der Fußpflege bis zum Friseur, vom Café bis zum Geschäft reichen.« Im ersten bis dritten Obergeschoss sind Einzelzimmer untergebracht - für Menschen, die gepflegt werden müssen. Die Zimmer werden über einen Wandelgang im Inneren der Rotunde erschlossen - im Erdgeschoss findet ein Wintergarten Platz, der über der dritten Etage mit einer Glaskuppel abgeschlossen wird. Das vierte bis siebte Obergeschoss ist dem Service-Wohnen vorbehalten; dort sollen 47 Wohnungen mit je 60 Quadratmetern entstehen, die alle nach Süden orientiert sind - entweder in die Rotunde über der Glaskuppel oder zum Kesselbrink hin. Die Wohnungen haben im Erdgeschoss ein eigenes Foyer und werden durch zwei Aufzüge erschlossen. Die Wohnungen sollen zum Teil öffentlich gefördert, zum Teil frei finanziert werden.
Dem Architekten ist wichtig: »Niemand soll dem Baukörper ansehen, das er ein Pflegeheim ist.« Er setzt auf ein endgültiges Votum der Politik - »vielleicht nach der Landtagswahl«.

Artikel vom 26.04.2005