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Deutschland
ist Schlusslicht

Bertelsmann-Stiftung verteilt Noten

Von Bernhard Hertlein
Gütersloh (WB). Politik und Wirtschaft in Deutschland treten auf der Stelle -Êsowohl im Standortranking als auch bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Prof. Heribert Meffert, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann-Stiftung, forderte gestern dazu auf, den gesellschaftlichen Wandel zu beschleunigen.

Im Herbst 2004 veröffentlichten die Gütersloher erstmals ein Standortranking. Basis des halbjährlichen Vergleichs von 21 Industrienationen ist neben Wachstum und Beschäftigung eine Einschätzung der Aktivitäten von Politik und Gesellschaft. Wie schon zum Start belegt Deutschland mit 66 Punkten und einem Abstand von mehr als sechs Punkten gegenüber dem nächstplatzierten Frankreich erneut den letzten Platz. »Wir sind sogar noch um 0,4 Punkte abgerutscht«, erläuterte Meffert. An der Spitze stehen Irland (111,7), USA (105,0) und Neuseeland (103,6).
Besser ist die Position Deutschlands mit Rang 8 beim Jugendarbeitslosigkeitsranking. Im Gegensatz zu anderen Ländern konnte Deutschland allerdings seine Quote von 10,6 Prozent nicht senken. Meffert kritisierte gestern in Gütersloh, dass vor allem Hauptschüler zu oft ohne Ausbildungsplatz blieben. Ursache seien aber weniger Defizite in der dualen Berufsausbildung als vielmehr Mängel im allgemeinen Bildungssystem.
Länder mit einer deutlich niedrigeren Jugendarbeitslosigkeit sind die Niederlande (6,6 Prozent), Österreich (7,5) und Irland (7,6). Die Gründe werden derzeit auch im Rahmen der Vorarbeiten für den »Carl-Bertelsmann-Preis 2005« untersucht. Die für den 9. September geplante Verleihung ist genau diesem Thema gewidmet. Meffert zufolge bereiten die Schulen anderer Länder ihre Jugendlichen nach wie vor besser auf den Wechsel ins Berufsleben vor.
Der Finanzrahmen der Stiftung liegt mit knapp 70 Millionen Euro auf Vorjahresniveau. Die Zahl der Projekte wurde in den vergangenen Jahren von früher 180 auf jetzt noch etwa 60 reduziert. »Die Wirkung, die wir erzielen, ist bei der geringeren Zahl heute größer«, erläuterte Meffert. Schwerpunkt-Themen sind in diesem Jahr die Folgen des demographischen Wandels (Überalterung), Deregulierung des Arbeitsmarktes, Balance von Familie und Arbeit, EU-Erweiterung und Integration der neuen Mitgliedsstaaten, Gesundheitspolitik und -prävention, Frühforderung für Kinder, Kulturvergleich mit Japan, Indien und China sowie Förderung von Bürgerstiftungen.
Als »Think Tank« (Denkfabrik) hat sich die von Reinhard Mohn ins Leben gerufene Bertelsmann-Stiftung mit ihren heute 320 Mitarbeitern zum Ziel gesetzt, Politik zu beraten und Impulse in die Gesellschaft zu geben. Meffert ist im Allgemeinen mit den Reaktionen nicht unzufrieden. »Aber beim Thema Studiengebühren wünschte ich mir schon, dass die NRW-Landesregierung etwas mehr auf unsere Argumente eingeht«, sagte er.

Artikel vom 26.04.2005