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Neue Software lähmt Polizei

Bezirksregierung Detmold schickt Mängelliste an Innenminister

Von Christian Althoff
Detmold (WB). Eine neue Software zur Anzeigenaufnahme, die das Land Nordrhein-Westfalen für mehrere Millionen Euro angeschafft hat, weist erhebliche Mängel auf und hält Polizisten von ihrer eigentlichen Arbeit ab. Das berichtet die Bezirksregierung Detmold in einem Schreiben an das NRW-Innenministerium.

Wenn Polizisten früher Papier in ihre Schreibmaschine gespannt haben, um eine Anzeige aufzunehmen, so benutzen sie heute das Computerprogramm »IGV-P« (Integrationsverfahren Polizei). »Die versprochenen Effekte wie Arbeitserleichterung, Einmalerfassung und vereinfachtes Erkennen von Tatzusammenhängen werden im Alltag nicht festgestellt«, das Gegenteil sei der Fall, schreibt die Bezirksregierung mit Hinweis auf die Erfahrungen der sieben Polizeibehörden Ostwestfalen-Lippes.
Wilfried Albishausen, Landesvorsitzender des »Bundes deutscher Kriminalbeamter« (BdK): »Bei IGV-P füllen Polizisten das Anzeigenformular aus, indem sie bestimmte Begriffe anklicken. Da das Programm aus Bayern stammt, können wir als Tatort zwar das Wort Almhütte finden, das Wort Gartenlaube existiert hingegen nicht.« Auch Begriffe wie »entreißen« oder »wegnehmen« suche man vergeblich. Probleme gebe es auch im Datenaustausch zwischen Behörden: »Wenn ich eine Anzeige online an eine andere Dienststelle schicke und um die Vernehmung eines dort lebenden Zeugen bitte, kommt der Vorgang zwar wieder online zu mir zurück - nicht aber die Aussage, die der Kollege für mich aufgenommen hat.« Diese könne nur getrennt per Post oder Email versendet werden.
Das Landeskriminalamt hat zudem festgestellt, dass es bei der Übertragung der Daten von IGV-P in das landesweite Polizei-Rechercheprogramm »Findus« zu einer hohen Fehlerquote kommt, weil die Programme nicht kompatibel sind. Polizisten, die diese Fehler ausmerzen wollen, müssen einen 42-seitigen Leitfaden befolgen. »Die Zeit hat niemand«, sagt Albishausen.
Im Schreiben der Bezirksregierung Detmold, das vom 7. Februar datiert, heißt es, Polizisten könnten die Mängel wegen der langen Entwicklungszeit und Erprobung des Programms nicht nachvollziehen. IGV-P sei »unübersichtlich« und weiche von der »üblichen kriminalistischen Logik« ab. Die für Ermittlungen zur Verfügung stehende Zeit der Polizisten werde »künstlich verknappt.« So berichtete gestern ein Beamter, er benötige für die Aufnahme einer Anzeige etwa doppelt so lange wie früher.
Mit ihrer Mängelliste steht die Bezirksregierung Detmold nicht alleine da. So kritisieren die Polizeidienststellen im Regierungsbezirk Arnsberg in einem Brief an das Ministerium darüber hinaus, dass Anzeigen nur mit Druckern der Firma Kyocera ausgedruckt werden könnten und Systemabstürze regelmäßig dazu führten, dass Anzeigen neu eingegeben und Bürger »erhebliche Zeit« warten müssten.
Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht: Da das Programm von NRW, Bayern und Thüringen benutzt wird, müssen alle Änderungen erst auf Länderebene abgestimmt werden.

Artikel vom 28.04.2005