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Ehefrau mit
Spiritus in
Brand gesetzt

Prozess wegen versuchten Mordes

Von Christian Althoff
Paderborn (WB). Ihre Hände stecken in Spezialhandschuhen, eine Verbandsmaske verbirgt ihr Gesicht: So wird Danuta U. (43) heute vor dem Landgericht Paderborn erscheinen, wo sich ihr Mann Norbert (39) wegen versuchten Mordes verantworten muss. Er hatte seine Frau mit Spiritus übergossen und angezündet.
Norbert U. ist wegen versuchten Mordes angeklagt.

Ein Mehrfamilienhaus am Stadtrand von Paderborn. Danuta U. sitzt im Wohnzimmer ihrer Eigentumswohnung und zupft die enge, hautfarbene Maske zurecht, die einer Motorrad-Sturmhaube gleicht und das verbrannte Gesicht der Frau bedeckt. »Ein Jahr lang muss ich sie tragen. Die Maske sorgt mit ihrem Druck dafür, dass meine Brandnarben nicht wachsen«, erklärt die Paderbornerin. Deshalb wird auch ihr Oberkörper von einer Spezialweste zusammengeschnürt, und auch die engen Handschuhe, aus denen nur die Fingerspitzen schauen, dienen diesem Zweck.
»Norbert war ein vorbildlicher Vater, aber ein schlechter Ehemann«, erzählt die schwerverletzte Frau. Als er erfuhr, dass sie sich von ihm trennen wollte, kam es am 17. November zu der Tat, die heute verhandelt werden soll: Danuta U. lag im Bett und las ein Buch, als ihr Mann betrunken ins Schlafzimmer kam, seine Frau mit Spiritus überschüttete und anzündete. »Ich habe das Geräusch des Feuerzeuges noch im Ohr«, sagt Danuta U., und ihre Stimme versagt für einen Moment. »Ich habe geglaubt, die Gardine brenne, und bin schreiend ins Bad gelaufen, um Wasser zu holen.« Erst dort merkte die Frau, dass sie selbst in Flammen stand: »Ich weiß noch, dass meine Haare brennend zu Boden fielen und den Teppich entzündeten, und meine Tochter schrie, ich solle unter die Dusche.«
Fünf Wochen später wachte Danuta U. aus dem künstlichen Koma auf, in das sie Ärzte einer Dortmunder Spezialklinik gelegt hatten. Chirurgen hatten gesunde Haut von den Beinen der Frau an ihren Oberkörper, das Kinn, die Hände, den Bauch und das Gesäß transplantiert. »Es ist ein Wunder, dass ich überlebt habe«, sagt die Frau, deren Haut zu 25 Prozent verbrannt war, und lächelt zum ersten Mal.
Hauptsache überlebt - mit diesen beiden Wörtern betäubt sich Danuta U. immer wieder, wenn sie aus dem Haus muss und Menschen sie wegen ihrer Maske anstarren. »Ein Mädchen hat sogar mal vor Angst geweint, als es mir begegnet ist«, erinnert sich die 43-Jährige. Erwachsene hätten die Straßenseite gewechselt, und Bekannte würden sie nicht erkennen. »Die Maske ist wirklich eine Qual - nicht nur psychisch«, sagt Danuta U. Manchmal wache sie nachts in Panik auf, weil sie Atemnot verspüre und den Druck ihrer Spezialkleidung nicht mehr ertragen könne: »Dann reiße ich mir das Zeug vom Leib.«
Den Mann, der ihr alles das angetan hat, hat Danuta U. seit der Tat erst einmal wiedergesehen - am 11. April, beim Familienrichter. Dieser will die Ehe übermorgen scheiden. »Dann bin ich endlich frei«, strahlt die Frau - und reißt trotz ihrer Schmerzen die beiden Arme in die Höhe.

Artikel vom 26.04.2005