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Schnellzug rast gegen ein Haus

Mehr als 50 Tote und 410 Verletzte - schwerstes Zugunglück in Japan seit 1963

Tokio (dpa). Mindestens 51 Menschen sind ums Leben gekommen, nachdem in Japan ein vollbesetzter Zug gegen ein Wohnhaus gerast ist. Bei dem schwersten Zugunglück in Japan seit vier Jahrzehnten wurden mehr als 410 Menschen verletzt.

Das Unglück ereignete sich gegen 9.20 Uhr Ortszeit kurz nach Abklingen des morgendlichen Berufsverkehrs in Amagasaki nahe Osaka, etwa 400 Kilometer von Tokio entfernt. Aus noch unbekannter Ursache waren zunächst fünf von sieben Wagen eines Expresszuges in einer Kurve entgleist. Augenzeugen schilderten, sie hätten das Gefühl gehabt, dass der erst 23 Jahre alte Zugführer zu schnell fuhr. Sein Schicksal war gestern noch unklar.
»Ich kann nicht glauben, dass ich überlebt habe«, sagte eine schockierte Zuginsassin. »Überall war ein Meer von Blut«. Der Frontwagen raste in das im Erdgeschoss gelegene Parkdeck des sechs Meter entfernten Wohnhauses. Der zweite wurde auf weniger als die Hälfte seiner Breite zusammengequetscht und klebte, um die Hausecke geknickt, an dem Gebäude. Nach Angaben der Bahngesellschaft JR West war der Zugführer, der lediglich über elf Monate Berufserfahrung verfügt, beim vorherigen Bahnhof acht Meter zu weit gerollt und hatte zurücksetzen müssen. Er sei darauf 90 Sekunden verspätet abgefahren.
Überlebende schilderten, wie der Zug daraufhin ungewöhnlich beschleunigte, als ob der Fahrer den Zeitverlust habe aufholen wollen. »Der Zug fing an zu wanken, dann entgleiste er. Keiner wusste, was passiert und jeder schrie um Hilfe«, schilderte ein Überlebender im Fernsehen. In den Abteilen brach Chaos und Panik aus, die Menschen stürzten übereinander. »Wir wurden alle auf die linke Seite geworfen. Fahrgäste brachen einen Riss in der Zugwand auf, so dass wir heraus konnten«, schilderte die 14-jährige Michi Yamashita.
Rettungskräfte versuchten noch am Abend, mit Metallschneidern und Seilen weitere Opfer aus den zerstörten vorderen Zugabteilen zu bergen. Vier Menschen im Wageninneren seien am Leben, hieß es. Berichten zufolge sollen unter den Verletzten auch Fußgänger sein. Unter den zumeist schwer Verletzten befinden auch mehrere Schüler und Studenten.
Japans Zugsystem, das täglich von etwa 60 Millionen Menschen benutzt wird, gilt gewöhnlich als eines der sichersten der Welt. Die Unglücksstrecke ist nach offiziellen Angaben allerdings mit keinem Gerät ausgestattet, das im Fall überhöhter Geschwindigkeit einen Zug automatisch bremst. Die Höchstgeschwindigkeit an der an einer Kurve gelegenen Unfallstelle beträgt 70 Kilometer pro Stunde. Über das Tempo des Unglückszuges gab es gestern noch keine Informationen. Inspekteure fanden jedoch Anzeichen, dass ein Stein oder ein anderer Fremdkörper auf den Gleisen gelegen haben könnte. Doch ob dies ursächlich für das Unglück war, könne man noch nicht sagen.
Es war das schlimmste Zugunglück in Japan seit 1963, als 161 Menschen nahe Tokio bei einer Kollision ums Leben kamen.

Artikel vom 26.04.2005