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Polizeiwesten landen im Müll

Untaugliches Material: NRW muss 33 360 Beamte neu ausstatten

Von Christian Althoff
Düsseldorf (WB). NRW muss die 33 360 Schutzwesten seiner Polizisten vorzeitig aus dem Verkehr ziehen, weil sie Beschusstests nicht mehr bestehen. Die Westen waren zwischen 2001 und 2003 für 38 Millionen Euro gekauft worden.
2003 ließ Innenminister Fritz Behrens in Bielefeld die 1,4 Kilogramm leichten Westen von zwei Polizisten vorführen. Foto: Uffmann

Horst Engel, innenpolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, sprach gestern von einer »beispiellosen Steuergeldverschwendung«. Noch vor der Auftragsvergabe hatte der Landtagsabgeordnete 2001 den Innenminister mehrfach vor möglichen Schwächen der Weste »Second Chance« gewarnt und Langzeittests gefordert. Die hatte der Minister abgelehnt. Engel will deshalb heute den Landesrechnungshof informieren und um Prüfung des Falls bitten
Neben NRW müssen auch Bayern, das Saarland, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz die Schutzwesten des US-Herstellers »Second Chance« austauschen. Die Westen bestehen aus der Faser Zylon, die sehr leicht und stabil ist. »Durch Luftfeuchtigkeit und Körperschweiß nimmt ihre Festigkeit allerdings im Laufe der Zeit ab«, sagte gestern Siegfried Will, Geschäftsführer des Schutzwestenherstellers Mehler in Fulda. Auch Mehler hatte 2001 eine Zylon-Weste im Programm, nahm von einer Lieferung an die bayerische Polizei aber Abstand, nachdem die Faser in firmeneigenen Untersuchungen zu schnell gealtert war. »Die geforderte Garantie von zehn Jahren hätten wir niemals geben können«, sagte Will.
Stattdessen belieferte das US-Unternehmen »Second Chance« mit seiner Deutschland-GmbH die hiesige Polizei, und NRW-Innenminister Fritz Behrens (SPD) verkündete im Juli 2003, dass das Material »auf Herz und Nieren geprüft« worden sei und »Experten nichts zu beanstanden« hätten.
Inzwischen kann Behrens die Fakten nicht mehr ignorieren: Vor 13 Tagen schrieb sein Ministerium an alle Polizeibehörden im Lande, dass sich bei Beschussversuchen von zwei Jahre alten Westen ein »merklicher Qualitätsverlust« gezeigt habe. Im Eilverfahren hat Nordrhein-Westfalen deshalb zunächst 10 000 neue Schutzwesten bestellt - diesmal aus der 20 Prozent schwereren Faser Aramid, für die sich Horst Engel bereits 2001 starkgemacht hatte und deren Haltbarkeit für zehn Jahre garantiert wird.
In Regress wird das Land »Second Chance Deutschland« kaum nehmen können: Die GmbH hat am 1. April Insolvenz angemeldet. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 26.04.2005