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Leitartikel
Fischer entzaubert

Einsam und abseits der
großen Linie


Von Reinhard Brockmann
Die ganz große Joschka-Show, das von manchen befürchtete »Fischer-TV«, war das gestern im Visa-Untersuchungsausschuss wahrlich nicht. Wenn der deutsche Außenminister nicht aalglatt war oder ins joviale »Ihr« und »Wir« verfiel, war er streckenweise sogar langweilig. Zumindest in seinem zweistündigen Eingangsstatement vom Schlage »Wie ich es sehe« war er noch dröger als Ex-Staatsminister Ludger Volmer. Der hatte die Strategie verfolgt: nichts gemacht, nichts gewusst.
So einfach konnte und wollte Fischer nicht davonkommen. Tapfer taufte er den Volmer-Erlass zum Fischer-Erlass um und verfuhr gemäß der Devise »Viel Feind, viel Ehr.«
Hin und wieder gelang es Fischer immerhin, CDU/CSU und FDP zu Zwischenbemerkungen zu verleiten. Dann war der sonst so gefürchtete Rhetoriker in seinem Element. »Mir kommen die Tränen«, sagte der Ausschussvorsitzende Uhl, Fischer konterte mit dem Angebot eines Tempotaschentuchs. Das waren dann aber auch schon die absoluten Spitzen einer ansonsten peinlichen Rausrede-Veranstaltung.
Wenn es wirklich ernst wird, stellt sich Fischer vor seine Mitarbeiter. Das macht sich gut, hilft aber nicht weiter, wenn zum Beispiel Kölner Staatsanwälte 14 Monate auf Akten warten müssen.
Zugleich versucht Fischer den Vorwurf zu entkräften, die Visa-Politik sei von rot-grüner Ideologie inspiriert gewesen. Andererseits muss er aber erklären, warum dann überhaupt die Verfahrensweise der ungewohnt positiv dargestellten Vorgängerregierung definitiv geändert wurde.
Fischer sieht vor allem »hohe kriminelle Energie« verantwortlich für den tausendfachen Missbrauch seiner Erlasse. Kiew sei im übrigen »ein Sonderfall«, wird Fischer nicht müde zu betonen. Nicht alles sei bis zu ihm gelangt, als Hauptproblem bezeichnet Fischer deshalb »das Monitoring von oben nach unten«.
Der Minister räumt schließlich entnervt ein, dass auch zwei Erlasse aus dem Jahr 1999 fehlerbehaftet gewesen seien, mit denen er sich nicht ausführlich befasst habe. »Schreiben Sie in Ihren Bericht rein: Der Fischer ist schuld«, giftet Fischer den Ausschussvorsitzenden an - doch in Wahrheit gibt Fischer im und aus Prinzip nichts, aber auch gar nichts zu.
Wie ein Hühnerdieb vor dem Dorfrichter räumt er nur bekannte Fehler ein. Mal hätte er »früher informiert werden müssen«, mehrfach liegt Fischer »da keine Erinnerung vor«, schließlich will er sich nicht auf Erinnerungslücken festlegen lassen, beansprucht aber die Blackouts gleich reihenweise.
Das ungehörige Versteckspiel des Vize-Kanzlers wurde im Verlauf der ganztägigen Vernehmung immer unerquicklicher. Da halfen auch Entlastungsversuche des Grünen Jerzy Montag nichts, der seinem heimlichen Vorsitzenden tapfer die Treue hielt. Seltsam still blieb Olaf Scholz. Völlig in Deckung ging Volker Neumann, der erfahrene SPD-Aufklärer. Der muss gespürt haben, dass Schweigen besser war.

Artikel vom 26.04.2005