25.04.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Leitartikel
Kirche runderneuert

Beifall
- gegen den Strich


Von Reinhard Brockmann
Bilder voller Symbolkraft, starke Worte, tiefe Gefühle: Mit der feierlichen Amtseinführung von Papst Benedikt XVI. gestern in Rom schließt sich ein Reigen vielfältigen Ausdrucks neuer Gläubigkeit, wie ihn noch vor Monaten niemand für möglich gehalten hätte. Vermutlich waren bislang genauso viele Millionen Menschen vom Ende der Amtskirchen - und zwar aller - überzeugt, wie sie jetzt am Geschehen im Vatikan mit ganzem Herzen Anteil gehabt haben.
Zusammen wird eine Botschaft daraus: die tiefbewegende Trauer um den - zumindest für uns Lebende - größten Papst der Neuzeit, die auch im Vatikan kaum für denkbar erachtete Anteilnahme der Menschen draußen auf den Straßen der Ewigen Stadt und die Inthronisation von gestern, die ausdrücklich keine Krönungsmesse war.
Kein Wort mehr vom angeblichen Übergangspapst. Paderborns Erzbischof Becker triumphiert zu Recht. Die alten Etiketten für den Glaubenswächter Ratzinger haben ausgedient. Der 78 Jahre alte deutsche Gelehrte hat kraftvoll die Nachfolge von Johannes Paul II. angetreten.
Benedikts erste große Predigt war von religiösen Motiven geprägt, aber die politische Botschaft war nicht zu überhören: Gegen Ideologien der Gewalt, gegen die Ungeduld der Fortschrittsgläubigen, gegen Gottlosigkeit und inhaltsleere Spaßgesellschaft. Auch Benedikt bezieht die Überwindung des Kommunismus, des militanten Atheismus in seine Botschaft mit ein.
Der neue Papst will wie sein Vorgänger eine vermeintlich altmodische Kirche mit festen Prinzipien und klaren Positionen, selbst wenn ihr der Minderheitenstatus droht. Das ist absolut gegen den Strich gebürstet - und die Menschen jubeln. Bewegung werde es dennoch geben, munkeln Eingeweihte. Noch ist nicht klar, ob es nur Wunschdenken ist, dass schon Dokumente zur Kommunion für wiederverheiratete Geschiedene vorbereitet seien, dass zwei Papiere zur Ökumene auf seinem Schreibtisch liegen sollen.
So unwahrscheinlich das vor kurzem noch geklungen hätte, in Rom und - mit Abstrichen - auch in Deutschland wird das heute gerne geglaubt.
Vor allem die Kirchengegner haben schwer zu schlucken an der Begeisterung für das vermeintlich Rückwärtsgewandte dieser Kirche. Die deutsche Dauerforderung nach Aufhebung des Zölibats, nach Frauenpriestertum und Ökumene ohne Abstriche war zuletzt gar nicht mehr so bestimmend. Sie hatte schlicht Pause.
Wenn jetzt die katholische Kirche mit neuem Schwung runderneuert in den Alltag zurückkehrt, wird sie sich diesen Forderungen wieder stellen müssen - und vielleicht auch wollen. Die Kirchenmänner haben gewiss ihre Verunsicherung der letzten Jahre verloren, die Gläubigen haben gesehen, dass Kirche mehr ist. Und alle haben erfahren, dass sich der Fels, auf den Jesus Christus seine Kirche gebaut hat, mitunter doch bewegt. Es gibt allen Anlass zur Hoffnung.

Artikel vom 25.04.2005