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Chinesen drängen auf
Europas Auto-Markt

Konkurrenzfähig mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis

Von Wolfgang Schäffer
Schanghai/Frankfurt/Leipzig (WB). Die Chinesen machen ernst. Noch in diesem Jahr werden die ersten Autos aus dem Reich der Mitte in breiter Front in Europa auf die Straßen rollen. Die größte Trumpfkarte dabei: ein fast unschlagbares Preis-Leistungs-Verhältnis der Fahrzeuge.
Der neue chinesische Mittelklassewagen »Zhonghua« sorgte bei seiner Vorstellung bei der Messe in Leipzig für großes Aufsehen.

Seit vielen Jahren sind die europäischen Autobauer in China aktiv. In eigens errichteten Werken und in Gemeinschaftsunternehmen mit Einheimischen bauen sie Pkw speziell für den explosionsartig wachsenden Markt.
Doch gerade aus der engen Zusammenarbeit mit den Experten von VW, Ford, GM, Peugeot und inzwischen auch BMW sowie Mercedes haben die Chinesen die notwendigen Kenntnisse gezogen, um mittlerweile aus eigener Kraft konkurrenzfähige Modelle zu bauen. Beispiele dafür gibt es bereits. Als erster Vertreter aus dem Reich der Mitte zeigte das Unternehmen Brillance Anfang des Monats auf der Messe in Leipzig einen Mittelklassewagen, der - wie auf der Seite »Motor und Verkehr« bereits berichtet - für reichlich Aufsehen sorgte. Der »Zhonghua« (sprich Schong Hua), was übersetzt nichts anderes heißt als »China«, überraschte Fachbesucher und europäische Konkurrenten mit ansprechendem Design, auf den ersten Blick guter Verarbeitung, moderner Technik, reichhaltigster Ausstattung und einem Preis, der als Kampfansage zu verstehen ist. Deutlich unter 20 000 Euro soll die viertürige Limousine mit 2,4-Liter-Triebwerk (136 PS), üppigem Platzangebot und Komplettausstattung (samt Leder, Klima, Navigation, DVD-Wechsler und allen Sicherheitsfeatures) kosten.
Neben Brillance stehen Unternehmen wie Shanghai Automotive (SAIC/im Zusammenhang mit der Rover-Pleite als potentieller Käufer in Erscheinung getreten), Chery oder Geely in den Startlöchern, um in Europa Fuß zu fassen. »In fünf Jahren werde ich meine Autos in der ganzen Welt verkaufen.« Geely-Chef Li Shiu Fu ist vom Erfolg seines Hauses absolut überzeugt. Der Optimismus des Mitvierzigers scheint mehr als begründet. Schließlich verkaufte Geely im vergangenen Jahr bereits mehr als 100 000 Autos in China, 2005 sollen es 150 000 Stück werden. Der Sohn eines Bauern, der sich, als ihm niemand Arbeit geben wollte, vor einigen Jahren selbstständig machte, strotzt nur so vor Selbstbewusstsein. »Ein Joint Venture mit westlichen Automarken kommt für uns nicht in Frage. Wir machen alles selbst, brauchen keine Unterstützung.«
Angefangen hat Li Shiu Fu mit dem Bau von landwirtschaftlichen Fahrzeugen. Dann sah er seine Chance im Pkw-Bereich. Dort bietet Geely inzwischen vom Kleinwagen (kostet umgerechnet weniger als 4000 Euro) über die Mittelklasse (um 8500 Euro) bis hin zum Sportcoupé (etwa 13 000 Euro) eine breite Palette an. »Und wir werden uns weiter entwickeln, das Angebot noch umfangreicher gestalten«, verspricht der Geely-Präsident, dessen Autos überwiegend in Handarbeit produziert werden. Bei einem Monatsverdienst der Arbeiter von knapp 135 Euro ist das ebenso wie der Verkaufspreis der Autos kein Wunder.
Experten trauen den Chinesen in einigen Jahren einen Marktanteil von einem bis fünf Prozent in Europa zu. Entscheidend für den Erfolg ist neben der Qualität der Fahrzeuge vor allem das Vertriebsnetz - derzeit das wohl größte Problem für Autos aus Fernost. Doch die Suche nach Partnern läuft. Auch in Ostwestfalen-Lippe gibt es bereits Interessenten, wie diese Zeitung aus Gesprächen erfuhr. »Man muss sich informieren und rechtzeitig auf den Zug aufspringen. Der Markt wird immer härter«, begründet ein Händler aus Paderborn die Kontaktaufnahme. Diese Einschätzung wird vom des Verband der Automobilindustrie (VDA) bestätigt. »Wer die Chinesen als Wettbewerber unterschätzt, verkennt die Herausforderung«, sagt VDA-Präsident Bernd Gottschalk. Seite 2: Kommentar

Artikel vom 25.04.2005