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Leitartikel
Ach, du schöne Jugendzeit

Zum Handy
drängt, am
Handy hängt


Von Rolf Dressler
Nur einmal angenommen, der Karlsruher Verfassungsrichter Udo Steiner hätte tendenziell recht mit seiner kürzlich dargebotenen, unverblümt harschen Diagnose. Wir »gleichheitskranken« Deutschen, so meint er, hätten ein ziemlich heftiges »Mentalitäts- problem« speziell mit dem Sozialstaat. Man hole aus dem staatlichen System heraus, was eben herauszuholen sei - frisch und un- geniert nach der Devise: Nimm dir, was du kriegen kannst.
Kein Zweifel, nicht weniges spricht tatsächlich dafür, dass daran viel Wahres ist. Gleichwohl vollzieht sich auf manchen Feldern und einträglichen Märkten durchaus positiv Gegenläufiges.
Beim Mobil-Telefonieren zum Beispiel ist der Fortschritt buchstäblich mit Händen zu greifen. Denn mit Riesensprüngen nähert sich sogar Deutschlands hoffnungsvoller Nachwuchs bereits dem strahlend schönen Ideal vollkommener sozialer Besitzer-Gerechtigkeit:
Sage und schreibe 90 Prozent aller Mädchen und Jungen im be- neidenswerten Sprösslingsalter von 15 bis 18 Jahren haben ein eigenes »Handy« zu ihrer ganz persönlichen Verfügung. Und nah wie nie ist der Tag, an dem sie rundum zu 100 Prozent für die moderne, putzmobile Medienwelt gerüstet sein werden. Schon heute ist in diesen Schüler-, Lehrlings- und Jungstudenten-Kreisen ja nicht etwa »nur« traditionelles Telefonieren angesagt. Phantasiereich überbrückt man mit dem Handy-Wunderding gähnend langweilige Schulunterrichtsstunden, überspielt »SMS«-Grußbotschaften dahin und dorthin, verabredet sich mit Freunden oder tauscht Fotos oder fetzige Popmusikstücke der aktuellen »Charts« bzw. Hit-Ranglisten aus.
Längst ist dieser Handy-Sport ein wahres Massenvergnügen gerade auch der jungen Generation geworden. Immer öfter statten El- tern sogar schon ihre Kindergartenkinder und ABC-Schützen mit den Geräten aus - was bei redlicher Betrachtung freilich nicht gerade auf eine flächendeckende Verarmung »der« deutschen Jugend und gar der Mehrheit ihrer Familien schließen lässt. Die höchst einfallsreichen Mobilfunk-Telefongesellschaften jedenfalls machen satte Milliardengeschäfte gerade auch mit den hypereifrigen Handy-Nutzern zwischen 12 und 19 Jahren.
Diese nämlich wenden allein für ihre pro Monat durchschnittlich 120 bis 130 »SMS«-Botschaften an Freunde häufig schon mal locker einen Großteil ihres gesamten Taschengeldes auf. Und das bei einem »SMS«-Einzelpreis von immerhin etwa 19 Cent. Und sei es nur, um dem Empfänger die Augenblicksbefindlichkeit mitzuteilen. Was Wunder, dass Handy-Hersteller und Netzanbieter auf diese Verbraucher-»Zielgruppe« mehr als nur ein Auge werfen. Zwar liegt das Geld auch hier natürlich nicht auf der Straße. Aber die Zielrichtung ist sonnenklar: Es ist noch enorm viel zu holen auf diesem Zukunftsfeld.
Also wird die Mobilfunk-Branche immer kräftiger mobil machen. Erdballumspannend.

Artikel vom 23.04.2005