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Ex-Staatsminister Volmer wird
im Visa-Ausschuss offensiv

Vorwurf an die Opposition: »Diffamierungs- und Rufmordkampagne«

Berlin (dpa). Mit scharfen Vorwürfen gegen die Opposition ist der als Schlüsselfigur geltende Ex-Staatsminister im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer (Grüne), im Visa-Untersuchungsausschuss in die Offensive gegangen. In seiner live im Fernsehen übertragenen Vernehmung warf Volmer der Union gestern eine »Diffamierungs- und Rufmordkampagne« vor.

Er wies jede Verantwortung für den Visa-Ansturm und steigende Schleuserkriminalität wegen der Liberalisierung der Visa-Politik zurück. Die Live-Übertragung war eine Premiere für einen deutschen Untersuchungsausschuss. Am Montag wird auch Außenminister Joschka Fischer (Grüne) vor laufenden Kameras vernommen.
Volmer übernahm die Mitverantwortung für den Visa-Erlass vom 3. März 2000, der den Ermessensspielraum für Konsularbeamte erweiterte. »Ich war einer der Initiatoren«, sagte er. »Ich habe ihn aber nicht geschrieben und nicht verfügt.« Er habe aber nicht die umstrittenen Erlasse von Herbst 1999 gekannt, die in die neue Weisung einflossen.
Fischer hatte den Erlass abgezeichnet. Der Minister hatte nach den Worten Volmers bereits in einer Besprechung Ende November 1999 grünes Licht für die Visa-Reform gegeben. Volmer sagte, der Erlass sei nicht die Ursache für kriminellen Missbrauch gewesen.
Volmer sagte, nicht er habe die umstrittene Formel »in dubio pro libertate« (»im Zweifel für die Reisefreiheit«) eingefügt, sondern diese sogar »in Frage gestellt«, als ihm der fertige Erlass vorgelegt worden sei. Ein Fachbeamter habe ihm erklärt, der Satz diene nur als »Illustration« für einen vorangehenden.
Beamte des Auswärtigen Amts hatten in einem Schreiben an Fischer Anfang 2000 mögliche Bedenken gegen die neue Weisung relativiert. Die Visa-Reform liege im Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts, ein Konflikt mit den Innenbehörden sei nicht zu befürchten, gab der Grünen-Obmann Jerzy Montag den Inhalt wieder. Der Erlass berge keine Gefahr einer Erhöhung der illegalen Zuwanderung.
Volmer sagte, niemand habe damals die Ausmaße der Schleusung prognostizieren können. »Die gesamte Thematik galt damals als nicht besonders problematisch.« Vorwürfe der Ideologisierung der Einreisepolitik wies er als »totalen Humbug« zurück. Es sei nicht darum gegangen, »grüne Illusionen« umzusetzen. Vielmehr sollten humanitäre Probleme gelöst und Familienbesuche ermöglicht werden. »Mit dem Erlass war keineswegs beabsichtigt, alle Schleusen zu öffnen.«
Der Druck zur Reform der Visa-Politik sei vom Parlament und einzelnen Politikern ausgegangen, sagte Volmer. Die Weisung habe auf Missstände reagiert, die Rot-Grün von der Vorgängerregierung übernommen habe. Von den Botschaften und aus dem Parlament sei so gut wie keine Kritik gekommen. Lediglich im Innenausschuss habe es »eine kurze Nachklappdiskussion« gegeben, die Fischer und Innenminister Otto Schily (SPD) in einem Gespräch beigelegt hätten. Schily hatte massiv gegen den Erlass protestiert.
Bei zwei Besuchen der Vertretung in Moskau im Jahr 2001 seien an ihn keine Beschwerden gerichtet worden, sagte Volmer weiter. Botschafter betroffener Vertretungen hatten am Vortag im Ausschuss den Erlass als Fehler und »Stolperstein« kritisiert.
Dem Ausschusschef Hans-Peter Uhl (CSU) warf Volmer Verunglimpfung vor. Dieser habe ihn vor einem Jahr im Bundestag als »einwanderungspolitischen Triebtäter« bezeichnet.
Unions-Obmann Eckart von Klaeden (CDU) versuche die Verantwortung Fischer und den Mitarbeitern zuzuschieben, sagte Volmer. Der FDP-Obmann Hellmut Königshaus sagte, eine Klärung der Verantwortlichkeiten für die Missstände bei der Visa-Vergabe sei bislang nicht gelungen.

Artikel vom 22.04.2005