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Mit Gebetbuch und Handy

Mönch baut in Harsewinkel neue Benediktiner-Gemeinschaft auf

Von Christian Althoff
Harsewinkel (WB). Ein knöchellanges Ordensgewand, darüber der schwarze Überwurf, das Skapulier - Pater Gottfried sieht genauso aus, wie man sich landläufig einen Mönch vorstellt. »Deshalb irritiert es auch manchen, dass ich ein Handy bei mir trage«, schmunzelt der Benediktiner aus Harsewinkel-Marienfeld (Kreis Gütersloh). Ein Bruch sei das aber nicht: »Schließlich leben auch Mönche nicht in der Vergangenheit.«
Fünfmal am Tag zieht sich Pater Gottfried in den Kreuzgang der Klosterkirche St. Marien zurück und betet. Er gehört dem Orden der Benediktiner an, der von St. Benedikt (r./480-547) auf dem Monte Cassino gegründet worden war - als erstes Kloster überhaupt. Foto: Althoff

Der Benediktiner-Orden, dem Gottfried Meier angehört, ist mehr als 1500 Jahre alt. Und doch ist der Glaubensgemeinschaft nur selten so viel Aufmerksamkeit zuteil geworden wie in dieser Woche: »Dass sich Kardinal Joseph Ratzinger nach seiner Wahl zum Papst den Namen Benedikt XVI. gegeben hat, hat mich und meine Brüder sehr gefreut«, erzählt der 42-Jährige. Die Namenswahl lasse erwarten, dass auch der neue Papst den Dialog suche und ein offenes Ohr habe: »Die erste Regel des heiligen Benedikt beginnt nämlich mit dem Wort ÝhöreÜ«, erklärt Pater Gottfried. Und diese Bereitschaft zum Zuhören lasse auch Papst Benedikt XVI. erwarten.
Gottfried Meier hatte in Rom und Salzburg Theologie studiert und mehr als 20 Jahre in der Benediktinerabtei Gerleve im Kreis Coesfeld gelebt, bevor er im vergangenen Jahr in Absprache mit dem Bischof von Münster nach Harsewinkel gegangen war. Dort baut er in den Mauern des 1804 aufgegebenen Zisterzienserklosters Marienfeld eine neue Benediktiner-Gemeinschaft auf. »Außer mir lebt hier noch Bruder Simeon, im Sommer wird sich ein dritter Mann probeweidse zu uns gesellen.« Pater Gottfrieds Idee einer neuen Mönchsgemeinschaft entspringt der Lehre des heiligen Benedikt, nach der sich Klöster für Ratsuchende öffnen sollen. »Es gibt überall Menschen, die Orientierung suchen oder Gespräche über ihren Glauben führen möchten. Und das tun sie erfahrungsgemäß gerne mit Mönchen, weil die eine Art mythischer Aura umgibt«, schmunzelt der Benediktiner.
Der Kontakt zu hilfesuchenden oder grübelnden Menschen kommt oft über den kleinen Klosterladen zustande, in dem Bruder Simeon Bücher, aber auch Biere, Weine und Liköre aus französischen, italienischen und deutschen Klöstern verkauft. »Niemand muss eine Hemmschwelle überwinden, um einen solchen Laden zu betreten«, erklärt der Mönch. Damit sei der erste Schritt getan, und oft entwickelten sich lange Gespräche. »Selbst um Eheberatung werde ich als zölibatär lebender Mann gebeten, weil es manche Menschen vorziehen, ihre Probleme aus der Distanz analysieren zu lassen.«
Der Tag des Paters und seines Bruders beginnt um 6 Uhr mit einem Gebet im Kreuzgang der Klosterkirche St. Marien - dem ersten von fünf Gebeten, zu denen die beiden Benediktiner bis 19.30 Uhr zusammenkommen und die jeweils 15 bis 30 Minuten dauern. »Wir besinnen uns dann darauf, dass es einen Höheren gibt, dem wir unser Dasein verdanken«, erklärt der 42-Jährige und erinnert an das Leitwort der Benediktiner: ora et labora - bete und arbeite. »Im Gegensatz zu anderen Orden, die sich bestimmten Tätigkeiten wie der Landwirtschaft oder der Krankenpflege verschrieben haben, sollen Benediktiner zwischen den Gebeten ihre individuellen Fähigkeiten nutzen«, erklärt Pater Gottfried. So ist er als Priester und Seelsorger in Marienfeld unterwegs, tauft Kinder und hält Schulgottesdienste, während Bruder Simeon den Klosterladen führt und dem Orden zu Einkünften verhilft.
Pater Gottfried ist übrigens nicht immer in Ordenskleidung anzutreffen: Einmal im Jahr schlüpft er in eine weltliche Uniform - zum Schützenfest der Bürgerschützen Harsewinkel, in deren 5. Kompanie er Mitglied ist.

Artikel vom 22.04.2005