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Fast so wie im »Zauberberg«
Kleinstes Kurbad in Nordrhein-Westfalen: Bad Hermannsborn bietet innovative Medizin in historischem Ambiente
Das kleinste Kurbad in Nordrhein-Westfalen liegt im Kreis Höxter. Bad Hermannsborn lockt seit 1925 jedes Jahr Tausende Menschen in den »schönsten Heilgarten Deutschlands«. »Die Anlage atmet die Atmosphäre von Thomas Manns ÝZauberbergÜ«, schwärmen Kurgäste von der Abgeschiedenheit und guten Luft der bergigen Landschaft in der Nähe von Bad Driburg.
Unberührte Natur, historisches Ambiente, uralte Bäume, gediegene Pracht und innovative Medizin: Das sind drei Faktoren, die seit genau 80 Jahren der Klinik ihr eigenes, unverwechselbares Profil geben. »Dieses Haus der Barmer Ersatzkasse ist etwas ganz Besonderes. Zu uns kommen Patienten, die eine akute Erkrankung, meist auch eine Operation, hinter sich haben oder an einer chronischen Krankheit leiden«, sagt Ulrich Blondin, Kaufmännischer Direktor des Bades. Überwiegend sind es Herzkranke oder Diabetiker, die hier ihre Reha-Anwendungen bekommen. Ziel sei es, dem Patienten, der in Bad Hermannsborn von der Hausleitung viel lieber als »Gast« begrüßt wird, bei der Bewältigung seiner Krankheit durch eine individuelle Therapie sowie eine Ernährungsberatung zu helfen, erklärt Blondin. Das Konzept geht auf. Bad Hermannsborn hat alle Stürme der Zeit im Gesundheitssektor überstanden, wurde sogar umfassend mit Millionenaufwand erweitert und so als Standort gesichert.
In der Weimarer Zeit, 1925, als Kur- und Erholungsheim der Barmer Ersatzkasse für deren Versicherte gegründet, ist die Klinik Bad Hermannsborn heute eine hochmoderne Facheinrichtung für Kardiologie, Diabetologie, Anschluss-Rehabilitation und Prävention. Im liebevoll restaurierten historischen Ambiente des Jugendstils erwartet die Patienten eine Kombination aus modernster medizinischer Versorgung und ganzheitlichem Therapiekonzept. Die Hilfe zur Selbsthilfe steht dabei im Vordergrund.
Die Region um Bad Hermannsborn ist bereits seit der Bronzezeit besiedelt und blickt auf eine lange, wechselvolle Geschichte zurück. Kelten, Römer und Germanen siedelten dort und nutzten die sprudelnden Heilquellen des Tales. In der Mitte des 19. Jahrhunderts legte ein geschäftstüchtiger Kaufmann aus Dortmund den Grundstein für die wirtschaftliche Nutzung der Mineralquellen und prägte auch den werbewirksamen Namen »Hermannsborn«. Mehr über die Geschichte berichtet Dr. Silke Heller in einem neuen Buch über das Bad.
Als die Barmer Ersatzkasse 1924 das Anwesen kaufte, war eine Kur für breite Bevölkerungsschichten noch ein unerschwinglicher Luxus. »Geradezu visionär muten vor diesem Hintergrund die Pläne der Barmer an, ein Kur- und Erholungsheim für ihre Versicherten zu erbauen«, sagt die Historikerin Heller. Binnen Jahresfrist entstand ein herrschaftliches Gebäude, malerisch inmitten eines weitläufigen Kurparks gelegen. Im »Dritten Reich« von 1942 bis 1945 zum Lazarett umgewidmet und nach Kriegsende von den Alliierten für mehrere Jahre beschlagnahmt (Lazarett, Wohnungen und Ausweichquartier der Berliner Hauptverwaltung der Barmer), wurde Bad Hermannsborn nach einer umfangreichen Sanierung 1952 wieder seiner ursprünglichen Bestimmung »als Barmer-Haus Nummer 1 in Deutschland« übergeben.
Nach einer Vielzahl von Um- und Neubaumaßnahmen seit 1999 (20 Millionen Euro) präsentiert es sich heute als zeitgemäße medizinische Einrichtung. Mit zahlreichen Studien, die im Hause durchgeführt werden, trägt die Klinik auch zum medizinischen Fortschritt bei. Ein bemerkenswertes Beispiel hierfür ist das in Zusammenarbeit mit einem Fahrradhersteller entwickelte Herzrad, das Herzpatienten ein Fahrradtraining im Freien ermöglicht. In Bad Hermannsborn ist auch das neue Hausarztmodell der Barmer, das inzwischen bundesweit für Furore gesorgt hat, beraten und unterschrieben worden.
Hermannsborn umfasst kaum mehr als die denkmalgeschützte Klinik und eine Handvoll Wirtschafts- und Wohngebäude. Doch das »kleinste aller Bäder« hat noch ein Pfund, mit dem es wuchern kann: »Die malerische Anlage ist in eine 18 Hektar große, gepflegte Parklandschaft eingebettet, die zu den schönsten und abwechslungsreichsten Deutschlands zählt«, schwärmt Hermann Müller, Patient aus Süddeutschland. Der Lokalhistoriker und ehemalige Pfarrer der nahe gelegenen Gemeinde Pömbsen, Josef Gotthardt, beschrieb das Hermannsborner Tal in den 1920er Jahren als »eigenartiges, geographisch und auch geschichtlich wohlausgezeichnetes Stückchen Erde, das nicht ohne Grund als das ÝEden des NethegauesÜ anzusprechen ist.« Das Kurbad (»Ein Märchenschloss für jedermann«) liegt im Naturpark Eggegebirge/Südlicher Teutoburger Wald, einem waldreichen Gebiet, das kürzlich als Teil eines denkbaren Nationalparks Senne-Egge vorgeschlagen worden ist. Bekannt ist das schlossähnliche Kurhaus auch für Kunstausstellungen, die regelmäßig dort gezeigt werden, und die vielen Tausend Blumen, die jede Saison im Park (»Ein Gesamtkunstwerk aus Blumen und Bäumen«) erblühen.
Der Bildband »Bad Hermannsborn: Unberührte Natur- Historisches Ambiente - Innovative Medizin« ist in der Edition MediText erschienen (22,80 Euro). Michael Robrecht

Artikel vom 07.05.2005