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Razzia im Tönnies-Schlachthof

Bundesweite Aktion gegen illegale Arbeit - Ermittlungen bei Weidemark

Von Ernst-Wilhelm Pape
Rheda-Wiedenbrück (WB). Bei einer bundesweiten Razzia gegen Schwarzarbeit und Lohndumping sind gestern auch das Fleischwerk Tönnies in Rheda-Wiedenbrück (Kreis Gütersloh) und die Tönnies-Tochterfirma Weidemark im niedersächsischen Sögel (Kreis Emsland) durchsucht worden.

Insgesamt wurden von der Staatsanwaltschaft Oldenburg gemeinsam mit mehr als 200 Einsatzkräften der Hauptzollämter Bielefeld, Nordhorn, Emden und Oldenburg sowie der Steuerfahndungen Bielefeld, Oldenburg und Neubrandenburg an 44 Orten Wohnungen sowie Geschäftsräume durchsucht und zahlreiche Unterlagen beschlagnahmt.
Das Ermittlungsverfahren richtet sich unter anderem gegen zwei Verantwortliche des Schlacht- und Zerlegebetriebes Weidemark. Ihnen werden nach Angaben von Staatsanwalt Frank Lohmann illegales Entleihen ausländischer Arbeitnehmer, Beschäftigung von Ausländern zu ungünstigen Arbeitsbedingungen sowie gewerbsmäßiger Betrug zum Nachteil der Sozialversicherung in Millionenhöhe vorgeworfen.
Die Firma Tönnies (4900 Mitarbeiter) ist das größte private Unternehmen für Qualitätsfleisch in Europa. Das Unternehmen Weidemark in Sögel hatte die Tönnies-Gruppe im Dezember 1998 von der BFW Fleisch nach deren Konkurs übernommen.
Das Ermittlungsverfahren richtet sich zudem gegen sechs Verantwortliche von Subunternehmen aus Deutschland, Ungarn und Polen die ihren Sitz in Werlte (Kreis Emsland), Wiesbaden und Kiel haben. Den sechs Beschuldigten werde vorgeworfen, zwischen Januar 2000 und Februar 2004 unter dem Deckmantel von Werkverträgen mehrere hundert Arbeiter aus Polen und Ungarn illegal an das Schlachtunternehmen Weidemark verliehen zu haben, sagte Lohmann. Dabei sollen Sozialversicherungen um fünf Millionen Euro betrogen worden sein. Gegen zwei Beschuldigte aus dem Bereich der Subunternehmen seien Haftbefehle wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr vollstreckt worden. Alle acht Beschuldigten haben nach Angaben der Staatsanwaltschaft zu den Vorwürfen bisher geschwiegen. Die beiden Beschuldigten waren in Werlte und Spahnharrenstätte (bei Werlte) gefasst worden und sitzen in Untersuchungshaft.
In die Machenschaften sollen unter anderem die polnischen Firmen Mielex (Kiel) und Baltic-Marien verstrickt sein. Die Steuerfahndung habe den Verdacht, dass die beiden polnischen Subunternehmen, die an Tönnies in Rheda-Wiedenbrück 80 Arbeiter vermittelt hätten, zwischen 1999 und 2002 Steuern hinterzogen haben, sagte Tönnies-Geschäftsführer Josef Tillmann dieser Zeitung. Tillmann: »Unsere Verträge sind von den Behörden geprüft worden und sauber.«
In Ostwestfalen-Lippe wurde außer Tönnies auch eine Firma in Paderborn durchsucht. »Wir sind nur durch Zufall auf die Liste geraten und haben uns nichts vorzuwerfen«, sagte der Firmenchef dieser Zeitung.
Die neuen Ermittlungen wegen illegaler Beschäftigung haben sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft aus Verfahren gegen den Schlachthof D&S in Essen (Kreis Cloppenburg) ergeben. Zwei Verantwortliche waren im Oktober 1994 zur mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Der in diesem Fall aus Versmold (Kreis Gütersloh) stammende Vermittler der illegalen Arbeitskräfte sitzt ebenfalls im Gefängnis.

Artikel vom 22.04.2005