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»Stets Arbeiter im Weinberg an
allen Stationen seines Weges«

Heute im Gespräch: Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker

Paderborn (WB). Beeindruckt von der Bescheidenheit, mit der der neue Papst sein Amt aufgenommen hat, zeigt sich Paderborns Erzbischof Hans-Josef Becker im Gespräch mit Reinhard Brockmann.
Erzbischof Hans-Josef Becker hält überraschende Akzente durch den neuen Papst für gut möglich. »Er wird wohl kaum eines der gängigen Klischees erfüllen«, meinte Becker und ist gespannt auf seine weitere Amtsführung. Becker ist Nachfolger von Johannes Joachim Kardinal Degenhardt.

Bei aller inhaltlichen Nähe von Johannes Paul II. und Benedikt XVI. - an welchen Stellen wird die Handschrift des neuen Papstes anders ausfallen als die seines Vorgängers? Becker: Die Soutane zaubert nicht nur gleiche Menschen hervor. Nein, wir sehen jetzt, wie Benedikt der XVI. auf seine persönliche Weise mit großer Herzlichkeit auf die Menschen zugeht. Gewiss ist es auch nicht eine Frage persönlicher Willkür, was er in seinem neuen Amt macht und was er nicht tun wird. Wir werden erleben, welchen Herausforderungen er sich als Papst mit welcher Priorität stellt. Ich sehe in ihm vor allem den brillanten Theologen, der eine Vision von der Rolle des christlichen Glaubens in der Welt von heute hat. Außerdem ist er einer der letzten Konzilstheologen, die noch leben. Kaum einer kennt die Anstöße und Entwicklungen der Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils besser als er. Benedikt XVI. wird sich aber nicht von anderen diktieren lassen, was darunter zu verstehen ist.

Welche Fortschritte erwarten sie für die Ökumene? Becker: Ich erwarte Fortschritte in Redlichkeit, Glaubwürdigkeit und auch in einem sehr, sehr ernsten persönlichen Bemühen des neuen Papstes, diesem Gedanken der Einheit aller Christen im Glauben und damit dem Anliegen Jesu Christi zu dienen. Davon gehe ich aus. Am ökumenischen Anliegen wird sicherlich in einer nüchternen, aber auch zielstrebigen Weise theologisch weiter zu arbeiten sein. Der neue Papst wäre der letzte, der dem Auftrag und Vermächtnis Johannes Pauls II. »Ut unum sint« (lat.: Dass sie eins werden) widerspräche.

»Sint« sagt, was sein soll, noch nicht was ist. Es drückt Hoffnung aus. Katholische Laien verbinden damit den Wunsch nach einer gemeinsamen Kommunion mit ihren protestantischen Glaubensbrüdern.
Becker: Das ist natürlich immer das, was man im vitalen Vollzug des Glaubens miteinander feiern möchte. Ich verstehe sehr, sehr gut diese Sehnsucht, gerade bei gemischt-konfessionellen Ehepaaren und Familien. Weil dieses Anliegen der Einheit als ernst gemeint dahinter steht, sehe ich hier einen großen Handlungs- und Forschungsbedarf. Dabei geht es allerdings nicht um eine Frage von Mehrheitsentscheidungen. Die Suche nach einem gemeinsamen Weg in der Abendmahlsfrage ist zunächst eine theologisch abzuarbeitende und weiterzuführende Aufgabe, bei der es um die Wahrheit des Glaubens geht.

Der Ruf nach stärkerer Beteiligung und Mitverantwortung der Frauen hat die jüngsten Debatten der Laien über den idealen Papst bestimmt. Auch scheint uns, dass Ratzinger als Kardinal Reformen noch ein Deut entschiedener entgegentrat als der bisherige Papst. Könnte das nicht den neuen Frühling des Glaubens schnell in Enttäuschung umschlagen lassen?Becker: Das glaube ich nicht. Ich weiß auch nicht, ob die von Ihnen geäußerte Interpretation und Beurteilung zutreffend ist. Ich habe an keiner Stelle gehört, dass der bisherige Kardinal Ratzinger bezüglich der Würde des Menschen und der Stellung der Frau in der Kirche despektierliche Äußerungen getan hätte. Erst im vergangenen Juli hat er als Leiter der Glaubenskongregation ein Schreiben veröffentlicht, in dem er ausdrücklich die Aktualität der weiblichen Werte im Leben der Gesellschaft betont hat. Dieses Papier hat bei vielen in der Kirche engagierten Frauen eine positive Resonanz gefunden!

Ratzinger hat in Interviews sehr deutlich gesagt, dass es keine Änderungen geben wird. Becker: Papst Benedikt sieht in der Zukunft keine Veränderungen in der für viele entscheidenden Frage, was die sakramentale Weihe von Frauen zum Priestertum angeht. Das ist sicherlich eine andere Akzentsetzung als bei der Frage nach der Beteiligung der Frauen innerhalb des Lebens und der Entscheidungsprozesse in Kirche und Gesellschaft, wie dies etwa in dem genannten Vatikandokument geäußert wird.

Gäbe es kein Zölibat, hätte auch das Erzbistum keinen Mangel an Priestern. Becker: Das könnte sein, ist aber nicht zwangsläufig so. Ich sehe den Zölibat und den Priestermangel nicht in einem direkten und notwendigen Zusammenhang, zumal ich sagen kann: Die Erwartung, dass mit der Zulassung von verheirateten Männern zum Priestertum die Berufungspastoral »glorreichen Zeiten« entgegen ginge, ist mir zu stark verkürzt.

Die Welt freut sich über den neuen Papst, nur die Deutschen tun sich schwer. Stimmt das nicht nachdenklich?Becker: Wir Deutschen tun uns mit allem schwer. Wir Deutschen sind ja in der Regel die ersten, die angesichts neuer Entwicklungen und Fakten zunächst einmal grübeln und fragen: Was mag das und das für Pferdefüße haben? Oder: Wo ist der Haken? Wenn ich zum Beispiel höre, dass die Wahl Joseph Kardinal Ratzingers zum Papst nun der schwärzeste Tag in der Geschichte der katholischen Kirche gewesen sei, dann ist das schlicht blödsinnig.
Wenn ich auf die Papstwahl schaue, dann geht es doch zuerst um die Frage: Kann ich die Entscheidung des Konklaves akzeptieren, selbst wenn sie mir nicht gefallen sollte, und darin auch die Handschrift Gottes erkennen?
Ich bin sehr zuversichtlich, dass Papst Benedikt XVI. den einen oder anderen Akzent ganz anders setzen wird, als viele unserer Zeitgenossen von ihm erwarten. Er wird wohl kaum eines der gängigen Klischees erfüllen.
Was mich beglückt, ist die Bescheidenheit, mit der er sich Joseph Ratzinger in seinen ersten Worten als Papst an die Weltöffentlichkeit gewandt hat. Im übrigen hat er sich auf allen Stationen seines Lebens und Wirkens als einfacher Arbeiter im Weinberg des Herrn sehr treu erwiesen. Von daher trafen seine Worte am Dienstagabend den Kern seines Profils.

Als »Arbeiter« knüpft er an seinen Vorgänger an. Aber wird Benedikt XVI. auch im gleichen Sinne ein »Pilger« sein und als »eiliger Vater« die Menschen weltweit für Gott zu gewinnen versuchen?Becker: Vorstellen kann ich mir das schon. Eine seiner ersten Gesten war ja am Dienstagabend nach der erfolgten Wahl: Ich gehe auf die Menschen zu, ich bin nicht derjenige, der sich abgrenzt. Ob und in wieweit sich seine Zuwendung zu den Menschen in vielen Pilgerreisen ausdrücken wird, lassen wir mal offen. Ich freue mich, dass er schon seinen ersten Deutschlandbesuch anlässlich des Weltjugendtages bei seiner ersten Messfeier als Papst in der Sixtinischen Kapelle angekündigt hat. Diese Zusage sollte auch uns mit Freude erfüllen!

Artikel vom 21.04.2005