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Mutter im Gefängnis

Sie hatte ihrem Kind den Schultheaterbesuch verboten

Von Monika Schönfeld
Schloß Holte-Stukenbrock (WB). Eine Mutter von sieben Kindern, die ihre Jüngsten 2004 nicht an einer Theaterfahrt der Grundschule nach Detmold teilnehmen ließ, ist gestern von der Polizei festgenommen und ins Gefängnis gebracht worden.
Landrat Sven-Georg Adenauer greift durch.
Die 55-jährige Frau aus Schloß Holte-Stukenbrock hatte wegen der Verletzung der Schulpflicht einen Bußgeldbescheid des Kreises Gütersloh bekommen. Da sie die 150 Euro nicht zahlen wollte, hatte der Kreis Gütersloh die Rechtsmittel ausgeschöpft. Das Amtsgericht Gütersloh setzte die Erzwingungshaft auf sechs Tage fest. Das gilt ebenso für den Ehemann. Der muss für sechs Tage ins Gefängnis, wenn seine Frau wieder auf freiem Fuß ist. So haben beide abwechselnd die Möglichkeit, sich um ihre teils noch minderjährigen Kinder zu kümmern.
Güterslohs Landrat Sven-Georg Adenauer (CDU) fährt einen harten Kurs in Sachen Schulverweigerer. Gesetze des Landes, in dem man lebe, müssten befolgt werden, sagte er. Religiöse Vorbehalte der Baptisten gegen Theaterbesuche - es handelte sich um das Weihnachtsmärchen »Urmel aus dem Eis« - könne nicht nicht die Schulpflicht außer Kraft setzen. Das könne sich der Rechtsstaat nicht bieten lassen. Fundamentalisten hätten in Deutschland nichts zu suchen.
Die 55-jährige Mutter wurde von Polizeibeamten zur Justizvollzugsanstalt nach Bielefeld-Brackwede und von dort weiter in ein Frauengefängnis gebracht. Nach Aussage der Polizei sei sie sehr kooperativ gewesen und ohne Protest mitgegangen.
Ein dritter Haftbefehl liegt gegen eine weitere Frau aus Schloß Holte-Stukenbrock vor. Auch sie hatte ihr Kind nicht an der Theaterfahrt teilnehmen lassen. Da die Frau zurzeit ein Baby stillt, wird der Haftbefehl im Moment nicht vollzogen.
Seit Monaten schwelt in Ostwestfalen-Lippe ein Konflikt um Schulverweigerung aus religiösen Gründen. So halten im Kreis Paderborn seit Oktober vergangenen Jahres sieben Familien ihre Kinder von der Grundschule fern und wollen sie im Heimunterricht per Fernschule erziehen. Viele der Verweigerer sind deutschstämmige Aussiedler aus Kasachstan.
Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Schulministeriums hat die Schulpflicht Verfassungsrang und Heimunterricht sei in Deutschland nicht erlaubt. Hier werde es keinen Kompromiss geben, sagte Ralph Fleischhauer, Sprecher von Schulministerin Ute Schäfer (SPD/Lage).

Artikel vom 21.04.2005