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Der »Eisbär« war los

Bier und Tränen: Berlin feierte den Eishockey-Titel

Berlin (dpa). Der Ostwind pfiff eiskalt um den Wellblechpalast, doch draußen feierten die freudetrunkenen Eisbären-Fans nach der ersten deutschen Eishockey-Meisterschaft bis tief in die Nacht ihre heißeste Berlin-Party seit der Wiedervereinigung.

Drinnen war um 21.47 Uhr mit dem 4:1 über den diesmal chancenlosen Angstgegner Adler Mannheim gerade der Durchmarsch durch das Playoff-Finale perfekt, da weinte das Berliner Urgestein Sven Felski schon die ersten Tränen. »13 Jahre hab' ick jekämpft, damit ick endlich mal dieset Teil habe«, sagte Felski, nachdem er den 74 Zentimeter hohen Meisterpokal aus zehn Kilogramm massivem Silber erstmals stemmen durfte. »Da platzt innerlich einfach eine Bombe«, schilderte Florian Keller seine Siegesgefühle inmitten von Zigarrenqualm und Bierduschen. Rings um die Konrad-Wolf-Straße zündeten ein paar Fans einige Böller.
Als Co-Trainer Hartmut Nickel den 4695 Zuschauern die ersehnte Trophäe präsentierte, hallten »Dynamo, Dynamo«-Sprechchöre durch die alte Halle im Stadtteil Hohenschönhausen. Nickel hat während seiner 41 Eishockey-Jahre in Berlin viel erlebt: 15 Meistertitel mit dem SC Dynamo in der DDR-Mini-Liga gegen Dynamo Weißwasser, als Trainer nach der Wende Aufs und Abs sowie das jahrelange Hinterherlaufen hinter dem inzwischen abgehängten West-Stadtrivalen BSC Preußen. Dessen Vorgänger-Verein, der Berliner Schlittschuh-Club, holte 1976 als Letzter die deutsche Meisterschaft in die Hauptstadt.
»Der Titel war immer mein Traum. Ich freue mich, diese Sternstunde erleben zu dürfen«, sagte Nickel, mischte aber auch nachdenkliche Worte in seine Freude: »Für unsere Region und auch West-Berlin haben wir eine Marke gesetzt. Ich hoffe, dass die West-Berliner das auch so sehen.« Die Mannschaft, die morgen vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit empfangen wird, taugt mit Nordamerikanern, ostdeutschen Talenten und westdeutschen Lieblingen wie Oliver Jonas und Stefan Ustorf längst als Vorbild der Vereinigung.
Ustorf sprach nach seinem ersten Titel sogar vom »schönsten Tag meiner Karriere«, den selbst eine Knieverletzung nicht trübte. Ustorf droht aber wie Olaf Kölzig und Marco Sturm bei der Weltmeisterschaft in Österreich im Mai auszufallen. Der ebenfalls am Knie lädierte Kölzig lobte seinen zunächst ausgebooteten Konkurrenten Oliver Jonas, der nach dem letzten Kraftakt bekannte: »Die letzten zwei Tage waren sehr schwer, weil wir diese Minuten so herbei gesehnt haben.«
Nach dem Rückstand durch Jochen Hechts zehntes Playoff-Tor (8. Minute) wendete Erik Cole (18./38.) die Partie, den Rest besorgten einmal mehr Steve Walker (45.) und Denis Pederson (54.) in Überzahl. Der während der Playoffs für vier Partien gesperrte Cole wurde sogar zum wertvollsten Spieler der Meisterrunde gekürt. 2002 hatte er mit den Carolina Hurricanes das NHL-Finale um den Stanley Cup verloren. »Das tut so weh. Aber man muss erst das Gefühl der Niederlage schmecken. Das gibt Charakter«, meinte er. Berlins Trainer Pierre Pagé sah einen Lernprozess nach den Final-Pleiten gegen Mannheim 1998 und gegen Frankfurt im Vorjahr.

Artikel vom 21.04.2005