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Leibwächter (45)
muss vor Gericht

Anklage wegen Totschlags erhoben

Von Christian Althoff
Rheda-Wiedenbrück (WB). 16 000 Menschen soll Nikolaj B. (45) aus Oelde illegal aus der Ukraine nach Deutschland geschleust haben. Doch bevor er sich dafür vor Gericht verantworten konnte, wurde er erschossen - von seinem Leibwächter Gregor Z. (45) aus Rheda-Wiedenbrück. Gegen ihn hat die Staatsanwaltschaft jetzt Anklage wegen Totschlags erhoben.

Nikolaj B. soll nicht nur der Kopf einer Schleuserbande sondern auch in andere illegale Geschäfte verwickelt gewesen sein. »Im Zusammenhang mit diesen Geschäften hatte er angeblich bei Tschetschenen 800 000 Euro Schulden«, sagte gestern Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer aus Münster. Die Gläubiger sollen den Leibwächter ihres Schuldners massiv unter Druck gesetzt haben, das Geld einzutreiben.
Am 3. November war es deshalb zu einem Streit zwischen dem Schleuser Nikolaj B. und seinem Bodyguard Gregor Z. gekommen. Der Leibwächter forderte nach eigener Aussage nicht nur die 800 000 Euro im Auftrag der Tschetschenen, sondern bestand auch auf seinem Lohn, den er nach eigener Darstellung bis dahin nicht bekommen hatte. »Für seine Dienste als Bodyguard sollen ihm nämlich monatlich 4000 Euro sowie die Einrichtung eines Sportstudios versprochen worden sein«, sagte Oberstaatsanwalt Schweer. Der Streit eskalierte und Gregor Z. erschoss den Schleuser-Boss - mit einer aufgebohrten Gaspistole, die er angeblich als Türsteher einer Diskothek einem Gast abgenommen hatte. Die Leiche verscharrte Gregor Z. an einem Baggersee in Beckum, dann fuhr er das Auto seines Opfers nach Berlin. »Es sollte offenbar so aussehen, als habe sich Nikolaj B. vor seinem Prozess abgesetzt«, sagte Schweer. Tatsächlich hatten die Behörden Nikolaj B. damals zur Fahndung ausgeschrieben, nachdem er nicht vor dem Landgericht Münster erschienen war.
Gläubiger des »Vermissten« nutzten anschließend die Situation. Sie wandten sich telefonisch an die Ehefrau von Nikolaj J. und gaben an, den Mann entführt zu haben und ihn gegen Lösegeld freizulassen. Als die Polizei von der Erpressung erfuhr, geriet auch Leibwächter Gregor Z. aus Rheda-Wiedenbrück in Verdacht. Er verwickelte sich in Widersprüche und gab schließlich zu, Nikolaj B. erschossen zu haben. »Mit der Erpressung hatte er aber nichts zu tun«, sagte Schweer. Bis heute sind die Hintermänner des Erpressungsversuchs unbekannt.
Nachdem Gregor Z. ein Geständnis abgelegt und die Polizei zum Grab des Opfers geführt hatte, macht der ehemalige Rotarmist nun keine weiteren Aussagen mehr. Der Prozess gegen ihn beginnt im Sommer.
Das Opfer Nikolaj B. soll nicht zum ersten Mal Schulden bei Osteuropäern gehabt haben. Ein früherer Vertrauter des Schleusers sagte dem WESTFALEN-BLATT, Nikolaj B. habe vor Jahren eine Million Euro geschuldet. Als sich die Gläubiger die Summe auf nicht legale Weise von einem seiner Konten in Osteuropa geholt hätten, habe Nikolaj B. Anzeige erstattet. »Da sind drei oder vier Ukrainer bei ihm in Oelde aufgetaucht, und er hat die Anzeige ganz schnell wieder zurückgezogen.«
Die Staatsanwaltschaft hatte auf Konten von Nikolaj B. noch 250 000 Euro entdeckt, über deren Verbleib noch nicht entschieden ist.

Artikel vom 20.04.2005