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Eine eindrucksvolle Visitenkarte

Westfälische Kantorei: Mit a capella Gesang in Vollendung überzeugt

Von Jutta Albers
(Text und Foto)
Sennestadt (WB). Die 1948 von Prof.Wilhelm Ehmann gegründete Westfälische Kantorei - ein Chor aus Studierenden, später auch Ehemaligen und Freunden der Hochschule für Kirchenmusik Herford - gehört zu den profiliertesten Kammer- und Kirchenchören der Region. Erstmals war dieses etwa 40-köpfige, hochkarätige Vokalensemble zu Gast in der Sennestädter Jesus Christus Kirche.
Hervorragender Klangkörper: Der Westfälischen Kantorei gastierte erstmals in der Jesus-Christus-Kirche und gab mit diesem Konzert eine eindrucksvolle Visitenkarte ab.

Es bot unter Leitung von Prof. Hildebrand Haake ein anspruchsvolles Programm, mit dem es eine eindrucksvolle Visitenkarte abgab in puncto Homogenität des Chorklangs, großer Gestaltungskraft, Intonationsreinheit und Klangschönheit. Zwei doppelchörige Motetten steckten den Rahmen mit J.S. Bachs BWV 228 »Fürchte dich nicht,ich bin bei dir«, ein Trostgesang nach den Worten Jesaja in ursprünglicher a capella-Fassung als Auftakt.
Das satztechnisch kompliziert aufgebaute Werk fordert höchste Chordisziplin. Dass die Westfälische Kantorei von dem souverän bewältigten Schwierigkeitsgrad nichts merken ließ, dafür mit schlanker, transparenter unforcierter Tongebung und bemerkenswerter Stimmkultur agierte, spricht für sich.
Genial, wie sich am Ende die Choralmelodie über dem fugierten Satz erhebt. Raritäten alter spanischer Chorliteratur hatte Hildebrand Haake ausgegraben, so drei in der Marienverehrung angesiedelte Sätze von Tomas Luis da Vittoria (man nannte ihn den Palestrina Spaniens), in denen die Euphorie der Textvertonungen bis hin zur Ekstase vom Chor so überzeugend nachvollzogen wurde. Von dem gleichaltrigen Juan Gines Perez erklang der eindringliche Lobgesang »Gloria laus« in dynamisch facettenreicher Interpretation und von Palestrina das bekannte »O beata et gloriosa trinitas«.
Kantorin Dorothea Schenk bereicherte das Programm mit adäquater Orgelmusik wie dem verhaltenen, sensibel registrierten Orgelchoral »Allein Gott in der Höh sei Ehr« BWV 662 aus den Leipziger Chorälen von J.S.Bach.Ihr Beitrag zur spanischen Orgelmusik des 17. Jahrhunderts war ein Tiento, ein Stück im imitierten Stil, von Andrés de Sola und Ñ als Höhepunkt ihrer Beiträge Ñ zwei Piecen von Jean Langlais, mit denen sie auch als Virtuosin an ihrem Instrument gefordert war und es gelang ihr, die vielschichtige Klangwelt dieses (blinden) französischen Orgelmeisters überzeugend zu vermitteln.
Schluss-und Höhepunkt des Konzerts war die Aufführung der doppelchörigen Messe von Frank Martin, die eine interessante Vorgeschichte hat. Martin schrieb das Werk 1922, aber erst 40 Jahre später wurde es erstaufgeführt, weil der Komponist diesen ganz persönlichen Ausdruck seiner Religiosität eigentlich nicht öffentlich machen wollte. 1983 wurde die Messe in Hamburg uraufgeführt.
Ein Kritiker schreibt: »Man meint, durch himmlische Sphären zu gleiten. Die Stimmen schweben, säuseln, atmen mit der Musik.
Der persönliche Dialog zwischen Komponist und seinem Schöpfer wird öffentlich - und bleibt dennoch ganz privat«.
Der Westfälischen Kantorei, die a capella Gesang in Vollendung bot, gelang eine dichte, unter die Haut gehende Interpretation. Der Dank für den begeisterten Beifall war das Ave Maria von Vittoria als Zugabe.

Artikel vom 20.04.2005