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Missbrauch mit
Ein-Euro-Jobs

Ver.di: Mehr als die Hälfte sind illegal

Von Ernst-Wilhelm Pape
Bielefeld (WB). Mehr als die Hälfte der bisher bundesweit geschaffenen 114 000 Ein-Euro-Jobs sind nach Gewerkschaftsangaben als Schwarzarbeit einzustufen.

Es handelte sich weder um gemeinnützige noch um zusätzliche Arbeiten, wie vom Gesetzgeber vorgesehen, sagte Uwe Wötzel von der Bundesverwaltung der Dienstleitungsgewerkschaft Ver.di dieser Zeitung. Durch eine Vielzahl der Zusatzjobs würden reguläre Beschäftigungen verdrängt. Der weiterhin akute Personalbau in den Kommunen und die Unterfinanzierung im Vergleich zu den bestehenden und wachsenden Aufgaben verführe Städte und Gemeinden geradezu zum missbräuchlichen Einsatz von Ein-Euro-Jobs, sagte Wötzel. Die rechtlichen Voraussetzungen für diese Arbeiten seien schwammig formuliert Eine Grauzone sei bewusst in Kauf genommen worden. Notwendige und sinnvolle Eingliederungsmaßnahmen für Arbeitslose mit gezielter Betreuung gebe es kaum.
In einem internen Arbeitspapier hat Verdi Beispiele für die graue und illegale Praxis aufgelistet. Zum Beispiel habe die niedersächsische Landesregierung die öffentliche Förderung von 350 Kulturinitiativen massiv gekürzt oder ganz gestrichen. Hier drohe der Ersatz von Arbeitsverhältnissen durch Ein-Euro-Jobs. In Thüringen müssten Ein-Euro-Jobber Rad- und Wanderwege herrichten, und in Frankfurt am Main gebe es 40 Ein-Euro-Ortsdiener in Uniform die Recyclingtonnen leerten sowie Reparaturen in Parkanlagen erledigten. In Bonn und Essen würden Ein-Euro-Jobber als Fahrkartenkontrolleure und Mobilitätsbegleiter eingesetzt. Selbst Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne) habe den Einsatz von arbeitslosen Köchen als Ein-Euro-Jobber zur Ernährungsberatung in Kindergärten vorgeschlagen.
In Hamburg habe der Senat die Anzahl der Deutschstunden für Ausländerkinder gekürzt. Ein Träger mit Ein-Euro-Jobs schließe die Lücke wieder. In Hannover beschäftige ein Förderverein an einer Schule Ein-Euro-Jobber als Küchenhilfe und Hausaufgabenbetreuer, und in Gummersbach ersetze ein kommerzieller Krankentransporteur festangestellte Fahrer durch vom Krankenhaus ausgeliehene Ein-Euro-Kräfte. Selbst bei der Feuerwehr würden diese Jobs angeboten, wie in Brandenburg. Es gebe selbst sinnlose Tätigkeiten. So lasse eine Hamburger Beschäftigungsgesellschaft Ein-Euro-Jobber Mauern bauen und diese wieder einreißen.
Es gebe aber auch Träger, wie die Caritas in Münster, die die Nutzung von Ein-Euro-Kräften verweigerten, da durch diese Maßnahme eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt nicht unterstützt werde. Martin Künkler (Bielefeld), Sprecher der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen: »Von den Kommunen abgebaute teure Stellen werden jetzt mit Billigkräften wieder besetzt.« Seite 4: Kommentar

Artikel vom 21.04.2005