21.04.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Leitartikel
Kein Wahlkampfthema

Vom Glück mit Kindern und Familie


Von Jürgen Liminski
Familienpolitik hat Konjunktur. Die vergangene Woche gehörte ihr, jedenfalls in Deutschland. Markante Ereignisse waren die Einlassungen des Arbeitgeberpräsidenten Dieter Hundt, die so genannte Grundsatzrede des Bundeskanzlers bei der Konferenz »Familie - Erfolgsfaktor für die Wirtschaft« und schließlich die konstituierende Sitzung der neuen Familien-Kommission der CDU »Eltern, Kinder, Beruf«, die sich vor allem um das Thema Vereinbarkeit bemühen soll. Aus all den Aktivitäten zieht man nun den Schluss: Familienpolitik wird ein großes Thema der Bundestagswahl werden. Das könnte sich rasch als Trugschluss erweisen.
Die Unterschiede zwischen den großen Parteien sind zu gering. Es sind keine wirklichen Alternativen auszumachen. Deshalb nutzt die familienpolitische Konjunktur eigentlich nur den RotGrünen, sie können auf Aktivitäten verweisen, die Union nur auf Diskussionen, Kommissionen und Pläne. Warum sollte jemand eine Partei wählen, die den Regierenden nachläuft, statt eine wirkliche Alternative zu bieten?
Allen politischen Initiativen ist inhaltlich gemeinsam, dass Wirtschaft immer Vorfahrt hat vor Familie. Kaum ein Politiker nennt in der aktuellen Debatte den Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Kinderarmut und zwischen dem stagnierenden Binnenkonsum und den fehlenden Zwangskonsumenten, eben den Kindern. Also auch zwischen Abtreibung, demographischem Defizit und dem Binnenkonsum, der in Ländern mit mehr Kindern wie Frankreich schon eine Stütze der Konjunktur ist. Aber an statt Geld in die Bereiche zu investieren, die konsumieren würden, plädiert Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sogar dafür, die Familienförderung zu stutzen. Sie sei mit 150 Milliarden Euro pro Jahr zu großzügig. Dass die Eltern von diesen 150 Milliarden selber 60 Prozent aufbringen und dass bei Familien von Leistungsgerechtigkeit und Wahlfreiheit in Deutschland keine Rede sein kann, das scheint Arbeitgeberverbände und Politik nicht zu kümmern.
Für sie ist wichtig, dass junge Frauen Kinder bekommen, dann aber spätestens nach einem Jahr wieder in die Betriebe zurückkehren. Frauen sind wichtig, gar keine Frage. Aber sie können selbst entscheiden, Kinder dagegen nicht. Hier liegt eine Chance der Union.
Sie könnte die Kindervergessenheit der Politik aufgreifen, sich intensiver mit dem Kindeswohl befassen. Die vor allem nach Parteienproporz zusammengesetzte Familienkommission der CDU könnte zudem noch ein Lebenselement behandeln. Es geht um das Glück, um die Freude an und mit Kindern. Dieser emotionale Faktor wird in der Diskussion um Sozialsysteme, Vereinbarkeit, Betreuung etc. regelmäßig ausgeklammert.
In Zusammenhängen denken, nicht nur in wirtschaftlichen Faktoren, das würde der Querschnittsaufgabe Familienpolitik gerecht. So wie sie jetzt behandelt wird, ist sie ein Erfolgsfaktor für die Wirtschaft, aber nicht für Wahlen.

Artikel vom 21.04.2005