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Rote Zahlen auf dem Girokonto

Politik und Verwaltung suchen den richtigen Weg aus der Finanzmisere

Von Michael Schläger
Bielefeld (WB). Nicht vor 2006 möchte Stadtkämmerer Franz-Josef Löseke das Haushaltssicherungskonzept neu auflegen. SPD und Grüne wollen dagegen schon in diesem Jahr einen neuen Anlauf nehmen.

Löseke vergleicht die Finanzsituation der Stadt gern mit einem privaten Girokonto. »Stehen da am Ende des Jahres 1000 Euro im Soll, dann wird dieser Betrag einfach auf das neue Jahr übertragen.« So ist das auch mit den Bielefelder Finanzen. In diesem Jahr muss die Stadt ihr Konto um 68 Millionen Euro überziehen. Und weil das in der Vergangenheit auch schon so war und in den Folgejahren nicht besser werden wird, werden sich bis 2010 Altfehlbeträge von 429 Millionen Euro aufgebaut haben. Dann aber, hofft der Kämmerer, muss das Konto nicht weiter überzogen werden, passen Einnahmen und Ausgaben wieder zueinander.
SPD und Grüne glauben, dass dieses Ziel schon ein Jahr eher erreicht werden kann, und stellten gestern im Finanzausschuss des Rates den Antrag, die Verwaltung solle entsprechende Perspektiven aufzeigen. Joachim Berens, Leiter des Amtes für Finanzen, legte verschiedene Szenarien dar, die aber alle mit dem gleichen Ergebnis endeten: Die »schwarze Null« ist nicht früher zu schaffen.
Selbst wenn die Grundsteuer um zehn und die Gewerbesteuer um 20 Prozentpunkte angehoben würde, beim Personal ein weitere Million jährlich gekürzt würde und die Leistungsverträge mit den freien Trägern um fünf Prozent geringer ausfielen, müsste 2009 noch immer ein »Dispo-Kredit« von 8,7 Millionen Euro in Anspruch genommen werden, betrüge der bis dahin aufgelaufene Fehlbetrag 386 Millionen Euro. Auch ein jährlicher Kürzungsbetrag von 4,5 Millionen Euro bei den Sachausgaben werde nicht den gewünschten Effekt haben.
Klaus Rees, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Rat, begründete den Vorstoß der rot-grünen Rathaus-Plattform. Der vom Kämmerer im März in den Rat eingebrachte Etat enthalte keinerlei neue Einsparpotenziale, um möglichst schnell wieder zu einem genehmigungsfähigen Haushaltssicherungskonzept zu kommen. Der Etatausgleich dürfe nicht erst in der kommenden Wahlperiode geschafft werden.
Die Sprecher der übrigen Rathaus-Parteien unterstützten den Vorstoß, machten aber auch deutlich, dass es kaum Luft im Etat gebe. »Da wo Geld zu holen ist, blockieren wir uns gegenseitig«, sagte Ralf Schulze (Bürgergemeinschaft). Mit den einen sei ein Teilverkauf des Umweltbetriebes nicht zu machen, mit den anderen keine Verringerung der Zahl der Stadtbezirke.
Finanziell schneller wieder handlungsfähig werden wollten alle, betonte Detlef Werner (CDU). Er erwarte von der rot-grünen Plattform aber auch konkrete Anregungen, wo der Rotstift angesetzt werden könne. »Sie dürfen nicht nur Prügel verteilen, sondern müssen selbst Vorschläge machen.« Otto Sauer (FDP) betonte, nur weitere Privatisierungen könnten rasch dafür sorgen, dass mehr Geld in die Stadtkasse fließt. Abgewartet werden sollen jetzt auch die Ergebnisse der nächsten Steuerschätzung im Mai.

Artikel vom 20.04.2005