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»Die Staatsquote muss runter -
Bürokratie gehört verringert«

Interview mit dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff

Bielefeld (WB). Mit mehreren Wahlkampfauftritten in Ostwestfalen-Lippe hat der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff gestern den Spitzenkandidaten der CDU in NRW, Jürgen Rüttgers, unterstützt. In einem Interview mit dieser Zeitung sieht Wulff Rüttgers auf einem guten Weg. Die Fragen stellte Dirk Schröder.

Immer mehr Deutsche haben sich in einer Forsa-Umfrage für eine Kanzler-Kandidatur von Christian Wulff ausgesprochen. Auch gehören Sie mittlerweile zu den beliebtesten Politikern in Deutschland. Das schmeichelt sicher. Die Bürger wünschen Sie also in der Bundespolitik. Werden Sie diesem »Ruf« folgen ?Christian Wulff: Mein Platz ist in Niedersachsen. Aber ich freue ich mich natürlich darüber, dass die Arbeit der Landesregierung in Hannover auch außerhalb Niedersachsens anerkannt wird. Und es ist auch schön, dass gerade die Unionsanhänger meine Rolle als sachdienlich auch in Berlin ansehen.

In letzter Minute soll die Rechtschreibreform nun doch noch einmal korrigiert werden. Dies reicht Ihnen aber noch nicht. Sie fordern weitere Rücknahmen. Ist es nicht sogar besser, die ganze Reform einzudampfen ?Wulff: Ich habe acht Jahre gegen die Rechtschreibreform gekämpft, weil sie absolut unnötig ist. Sie war der untaugliche Versuch, die natürliche Sprachentwicklung durch einen großen Wurf ersetzen zu wollen. Nun scheinen wenigstens doch einige Korrekturen erreichbar. Wenn künftig wieder zusammengeschrieben wird, was zusammengehört, trägt das zur Befriedung im Rechtschreibstreit bei und sorgt für Akzeptanz in der Bevölkerung. Dazu sollte sich die Kommission und die KMK den Kritikern weiter annähern. Wichtig ist, dass es bald abschließend Klarheit für alle gibt. Denn es braucht Verbindlichkeit statt Beliebigkeit.

Sie lehnen Forderungen nach einem millionenschweren Konjunkturprogramm ab, fordern ein Konjunkturprogramm, »das nichts kostet«. Wie sehen Ihre Vorschläge aus, wie wollen Sie die Wirtschaft ankurbeln ?Wulff: Die staatlichen Ebenen sind pleite, die öffentlichen Kassen leer. Deshalb brauchen wir ein Konjunkturprogramm, das nichts kostet. Das heißt: die Staatsquote muss runter, Bürokratie gehört reduziert, das Steuersystem muss vereinfacht werden. Hinzu kommen muss die Reform der sozialen Sicherungssysteme mit dem Ziel der stärkeren Entkopplung der Sozialsysteme vom Faktor Arbeit, ein flexibles Arbeits- und Tarifrecht, eine aktive kommunale Arbeitsmarktpolitik und mehr Leistung in Bildung und Forschung.

Im Augenblick wird das Thema Lohndumping heiß diskutiert. Wie lässt sich dieses Problem lösen? Sind Mindestlöhne wirklich der richtige Weg?Wulff: Gesetzliche Mindestlöhne schwächen den Standort Deutschland. Zum Schutz deutscher Firmen vor Billig-Konkurrenz aus osteuropäischen Nachbarstaaten gibt es kein Patentrezept. Es ist aber das Versäumnis der Bundesregierung, im Zuge der Umsetzung der Entsenderichtlinie für eine größere Zahl von Branchen, in denen für Tätigkeiten keine besondere Qualifikation erforderlich ist, eine Übergangsregelung für die Zeit nach dem Beitritt der zehn mittel- und osteuropäischen Länder zu vereinbaren.

Sie halten eine Einigung bei der Föderalismusdebatte noch für möglich, sind mit Ihrer Forderung nach Neuverhandlung der Finanzfragen aber auf scharfe Kritik gestoßen. Woher nehmen Sie dennoch Ihre Zuversicht ?Wulff: Wir sind jetzt in der Schlussphase der Verhandlungen. Da scheinen einige SPD-Ministerpräsidenten etwas nervös. Nur, die Wahrheit ist doch: Die Nachtsitzungen, die wir uns im vergangenen Jahr für Dezember vorgenommen hatten und die dann am Bildungshunger der SPD scheiterten, müssen wir nachholen. Thematisch sattelt hier auch niemand drauf, ich schon gar nicht. Vielmehr waren einige Punkte - nicht nur die Bildungsfrage - seinerzeit noch nicht abschließend entschieden. Das müssen wir jetzt nachholen. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir uns bis zum Sommer einigen können.

Sie unterstützen Jürgen Rüttgers in seinem Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen. Sie haben dies in Niedersachsen sehr erfolgreich längst hinter sich. Haben Sie einen Tipp für Ihren NRW-Kollegen?Wulff: Jürgen Rüttgers macht es genau richtig: Er stellt die Themen Arbeit und Schule in den Mittelpunkt. Die CDU in NRW ist so geschlossen wie nie. Das ist ein Schlüssel zum Erfolg. Die Zeichen stehen auf Wechsel und Neuanfang in NRW. Die Menschen hier haben es sich verdient. Sie haben zu Recht die Nase voll von rot-grüner Bedenkenträgerei.

Artikel vom 19.04.2005